Blutrubin Trilogie - Band 1: Die Verwandlung (German Edition)
dass Geister die Gestalt angenommen hatten, nicht mehr durch Wände gehen konnten? Aber wie sonst sollte es ihr gelungen sein, mein Zimmer zu betreten? Ich nahm mir fest vor sie umgehend zu fragen, wie sie das bewerkstelligt hatte. Dann ging ich ins Badezimmer, und als ich mein Gesicht im Spiegel sah, hatte ich augenblicklich den Wunsch vor einen Zug zu springen.
Ich sah aus wie der asiatische Ober aus dem China-Restaurant, meine Augen waren nur noch zwei kleine Schlitze und ich erkannte mich selbst kaum wieder.
Schnell spritze ich mir etwas kaltes Wasser in mein Gesicht, um die Schwellung ein wenig zu beruhigen und putzte mir anschließend die Zähne. Warum musste ich nach einer Heulorgie auch immer aussehen wie ein Profiboxer, der zwölf Runden lang nur Prügel eingesteckt hatte?
Nachdem ich mich angezogen hatte, setzte ich mich an den kleinen Tisch und schenkte mir eine Tasse Kaffee ein, der erstaunlicherweise noch nicht ganz kalt war. Die Brötchen und die Marmelade, von der ich unter normalen Umständen nicht genug bekommen konnte, interessierten mich nicht und so schob ich das Tablett zur Seite.
Ich schloss für einen Moment lang die Augen und fragte mich, was ich jetzt tun sollte. Ich war noch immer wütend auf James, doch die einsame Nacht ohne ihn war die reinste Folter gewesen. Widerstrebend musste ich mir eingestehen, dass ich mich nach seiner Umarmung sehnte.
Eigentlich war ich immer der Meinung gewesen, dass ein kurzer Streit in einer Beziehung wie ein reinigender Regen wirkte, aber nun musste ich erkennen, dass dieser, wenn er zu lange andauerte, mehr einer Flut entsprach, die alles ertränkte. Ich sehnte mich so sehr nach James, dass ich wütend auf mich selbst wurde. Er musste den ersten Schritt tun, denn es war mit Sicherheit nicht mein Verschulden, dass es zu dieser Auseinandersetzung gekommen war.
Ich überlegte kurz, ob ich vielleicht überreagiert hatte, und ließ unser ganzes Gespräch noch einmal in Gedanken Revue passieren, doch an meiner Meinung änderte sich nichts. Als ich mich erinnerte, was ich belauscht hatte, wurde ich wieder stinksauer und stellte die Tasse so unsanft auf den Tisch, dass sie zerbrach.
Warum hatte James dieser Kuh nicht einfach erklärt, dass er nichts mehr für sie empfand? Dann hätte ich keinen Grund an ihm zu zweifeln und es wäre niemals zu diesem dummen Streit gekommen.
Ich hatte mich eindeutig richtig verhalten und musste mir keine Vorwürfe machen. Jede andere Frau hätte dasselbe getan, redete ich mir ein, und wenn einer von uns hätte einlenken müssen, dann wäre es James gewesen und nicht ich.
Nachdem ich mir mein Verhalten ihm gegenüber halbwegs schön geredet hatte, beschloss ich herauszufinden, ob diese Ziege noch immer auf der Burg war. Ich versuchte meine feuerrote Lockenpracht zu bändigen, sah dann aber ein, dass es keinen Sinn hatte, und band mir einen Pferdeschwanz. Dann machte ich mich auf den Weg nach unten und überlegte, was ich James sagen sollte, wenn ich ihm gegenüberstand.
Weder im Salon noch im Arbeitszimmer traf ich auf James und so steuerte ich zielstrebig auf die Küche zu, um Berta zu fragen, doch bevor ich die Tür öffnen konnte, hörte ich Evelyns Stimme.
Ich schnellte herum, und als ich die beiden Personen sah, die nebeneinander die Treppe hinunterkamen, klappte mir die Kinnlade nach unten.
Evelyn hatte sich bei James untergehakt, redete auf ihn ein und er grinste sie doch tatsächlich an. Ich hätte ihm sein dummes Grinsen am liebsten aus dem Gesicht geschlagen, so sehr hasste ich ihn in diesem Augenblick. Ich war nicht imstande mich zu bewegen oder den Blick abzuwenden und so starrte ich nur fassungslos und zutiefst verletzt auf James. Der hatte mich mittlerweile auch gesehen und kam nun gutgelaunt auf mich zugeeilt.
»Ich warte im Arbeitszimmer auf dich«, rief Evelyn ihm zu und schlenderte schwungvoll davon. James breitete die Arme aus und sah mich mit seinen sanften Augen liebevoll an.
»Hast du dich wieder etwas beruhigt?«, fragte James sanft und machte Anstalten, mich in den Arm zu nehmen, doch da war er bei mir an der falschen Adresse. Er konnte gar nicht so schnell reagieren, wie meine Hand nach vorne schoss und ihn eine schallende Ohrfeige traf.
»Du bist das Allerletzte!«, fuhr ich ihn an und hätte ihm am liebsten gleich noch eine verpasst.
»Was ist denn nur los mit dir, ich erkenne dich gar nicht wieder«, entgegnete er wütend und rieb sich die Wange.
»Dann geht es dir ja genau wie mir«,
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