Blutrubin Trilogie - Band 2: Der Verrat (German Edition)
anderes Versteck gesucht hatten? Sie konnten überall sein. Vielleicht waren sie sogar schon in einem anderen Land. Ich wusste ja noch nicht einmal mit Gewissheit, ob James einer von ihnen war.
Womöglich lebte er auch gar nicht mehr. Diesen Gedanken schob ich schnell wieder beiseite, denn wenn James wirklich tot wäre, hätte er sich mir doch mit Sicherheit als Geist gezeigt. Schließlich war ich ein Geistwächter.
Ich löste mich aus Silles Umarmung und schenkte ihr ein dankbares, wenn auch gequältes Lächeln, dann wischte ich mir mit meinem Ärmel die Tränen von den Wangen und erhob mich.
»Lasst uns gehen«, sagte ich leise und wollte mich gerade daran machen das Boot ins Wasser zu ziehen, als Aidens Stimme mich in der Bewegung innehalten ließ.
»Still!«, sagte er und hob warnend die Hand. Ich erstarrte zur Salzsäule und stand regungslos da, die Hand am Boot, welches ich schon zur Hälfte angehoben hatte. Ganz langsam ließ ich es wieder zu Boden und versuchte dabei keinerlei Geräusche zu machen. Anschließend wandte ich mich zu Aiden, der mit versteinerter Miene zum Höhleneingang sah.
Als ich seinem Blick folgte, musste ich ein Aufkeuchen unterdrücken und schlug mir die Hand vor den Mund. Dort standen sie. Evelyn, Kimberly sowie mindestens zehn weitere Ubour. Suchend huschte mein Blick über die Gestalten in der Hoffnung James zu finden, doch er war nicht unter ihnen. Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf die beiden Frauen, die sich unterhielten.
Lodernder Hass wütete in jeder Faser meines Körpers, als ich Kimberly beobachtete. Ich wäre am liebsten aus meinem Versteck gesprungen und hätte mich auf sie gestürzt. Immer wieder hatte ich mir gewünscht ihr endlich gegenüberzustehen und sie für alles bezahlen zu lassen, was sie getan hatte. Jetzt stand sie in meiner Reichweite und mir waren die Hände gebunden. Wenn ich erfahren wollte, was aus James geworden war, durfte ich nichts unternehmen. Ich presste die Lippen zusammen und unterdrückte das Knurren, das in meiner Kehle aufstieg. Wie gerne hätte ich dem Ganzen ein Ende bereitet und Kim in die ewigen Vampir-Jagdgründe geschickt.
Erst als Aidens Hand mich wieder sanft zurück auf den Boden drückte, bemerkte ich, dass ich mich in meine Angriffsposition begeben hatte, ohne es selbst zu bemerken.
»Du hast es versprochen«, flüsterte er mahnend. Ich nickte ihm grimmig zu, auch wenn alles in mir schrie, mich auf dieses Miststück zu stürzen und es zu vernichten.
Wir beobachteten, wie die Ubour sich in zwei Gruppen aufteilten und im Wald verschwanden. Anscheinend gingen sie wieder auf die Jagd oder planten einen erneuten Angriff auf ahnungslose Vampire. Während Evelyn und Kimberly sich weiter unterhielten, traten drei weitere Gestalten aus der Höhle auf sie zu. Und dann sah ich ihn.
Einige Strähnen seines bronzefarbenen Haars wehten ihm ins Gesicht und er lächelte, als er auf die Frauen zulief. Mein Herz krampfte sich zusammen und begann dann unkontrolliert zu rasen. James breitete die Arme aus und Evelyn flog förmlich auf ihn zu, dann küssten sie sich. Mir wurde schlecht und ich schloss kurz die Augen. Mit allem hatte ich gerechnet, doch nicht damit.
Als ich sie wieder öffnete, hatten sie ihren Kuss beendet und standen nun Arm in Arm nebeneinander und lauschten aufmerksam Kimberlys Worten.
»Alles in Ordnung?«, hörte ich Silles besorgte Stimme neben mir und nickte geistesabwesend. Ich wollte nicht sehen wie sich James und Evelyn liebevoll umarmten oder Zärtlichkeiten austauschten, doch ich konnte meinen Blick nicht von ihnen abwenden. Evelyns Hand glitt James Rücken hinauf, bevor sie ihm zärtlich durchs Haar fuhr.
Der Schmerz, den ich fühlte, war unbeschreiblich. So, als würde eine unsichtbare Hand in meinen Brustkorb greifen, mein Herz umfassen und wild daran zerren. Doch dies war nicht das einzige Gefühl, das nun in mir aufwallte.
Wut brodelte in meinen Adern. Ich fühlte mich wie in einem Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch stand und ich musste mehrere Male tief einatmen, um meine Gefühle wieder halbwegs in den Griff zu bekommen.
»Ich dachte, Ubour haben keine Gefühle«, zischte ich in Aidens Richtung.
»Sie empfinden kein Mitgefühl, kennen keine Gnade oder Trauer für andere, aber für Ihresgleichen können sie sehr wohl etwas empfinden. Es ist aber wohl eher eine Art Verlangen und weniger Liebe«, erklärte er leise. Bei dem Wort "Verlangen" wurde mir ganz flau im Magen und ich mochte mir gar nicht
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