Blutrubin Trilogie - Band 3: Das Vermächtnis (German Edition)
Handgelenk. Dann huschte mein Blick unauffällig zum Felsen der Gerechtigkeit, der etwa zwei Meter entfernt war.
Alles, was ich tun musste, war den Felsen zu erreichen und mein Armband darauf zu platzieren. Wenn ich Finns Andeutung richtig interpretiert hatte, war ich nämlich der Nachkomme. Anschließend müsste ich nur noch den Namen der Quelle des Guten aussprechen und dann hoffen, dass ich mit meiner Vermutung richtig lag.
Ich löste mich von den anderen und machte einen vorsichtigen Schritt auf den Felsen zu. Mein Herz schlug so laut und heftig, dass ich befürchtete, jeder auf der Lichtung könne es hören. Plötzlich sah Evelyn auf. Ihr Blick fiel auf meine Hand, in der ich das Armband hielt und sie begriff sofort, um was es sich handelte.
Mit einem einzigen Satz war sie bei mir und ihr stählerner Griff hinderte mich daran, auch nur einen weiteren Schritt zum Felsen zu machen. Hilfe suchend sah ich zu James, dessen Augen sich weiteten. Doch bevor er einen Versuch unternehmen konnte, mir zu Hilfe zu kommen, hatte Malus erneut seine Hände gehoben und in James Richtung bewegt. Ich schloss die Augen, weil ich sicher war, er würde genauso sterben, wie zuvor die drei Schwestern, doch nichts dergleichen geschah.
Blinzelnd sah ich zu dem Mann, den ich liebte, und keuchte erleichtert auf. Malus hatte ihn nicht getötet, sondern nur gebannt. James verharrte regungslos auf der Stelle, nicht fähig sich zu bewegen. Seine Augen zuckten suchend umher.
»Was ist hier los?«, fragte Malus an Evelyn gerichtet. Mit aller Kraft versuchte ich mich aus ihrem Griff zu lösen, doch es gelang mir nicht. Ich durfte auf keinen Fall zulassen, dass sie ihm von meinem Vorhaben berichtete, sonst war alles vorbei. Ich spähte zum Felsen, der keinen Meter entfernt war. Evelyn hatte beide Arme um meinen Oberkörper geschlungen, doch meine Hände waren frei.
Ich wusste, dass ich nur einen einzigen Versuch hatte, der gelingen musste, sonst waren wir alle verloren. Ich holte tief Luft und schleuderte das Armband aus dem Handgelenk auf den Felsen zu. Mit großen Augen folgte ich der Flugbahn und betete.
Auch Malus bemerkte, was ich getan hatte und wirkte sichtlich entsetzt. Er machte eine rasche Handbewegung um das Armband umzuleiten, doch es war zu spät. Mit einem kleinen, klirrenden Geräusch landete es auf dem Felsen und blieb zu meiner Erleichterung liegen.
Ich beobachtete, wie der kleine Rubin sich verflüssigte, so wie es auch Evelyns Stein getan hatte. Jetzt musste ich nur noch den Namen aussprechen. In dem Moment, in dem ich den Mund öffnete, traf mich eine Welle Magie. Ich sah zu Malus und verstand sofort, dass er dafür verantwortlich war. Ich wollte den Namen laut rufen, doch außer einem fast lautlosen Krächzen kam kein Ton aus meiner Kehle.
Nein, das konnte und durfte nicht sein. Ich war kurz davor, die Quelle des Guten zu befreien und jetzt sollte alles umsonst gewesen sein. Als ich zu Malus blickte, lächelte er. Es war ein zufriedenes und selbstgefälliges Lächeln, das mir die Tränen in die Augen trieb.
»Mit dir befasse ich mich später. Jetzt kümmere ich mich erst um die Schattenwächter«, erklärte Malus jetzt breit grinsend und wandte sich von mir ab. Er richtete das Wort wieder an meinen Vater und dessen Freunde und faselte irgendetwas davon, dass er nicht anders könnte und es ihm wirklich leidtäte. Ich hörte nicht mehr zu. Die Worte verschwammen in weiter Ferne.
Ich sah zu meinem Vater, der immer noch grimmig dreinblickte und dicke Tränen liefen meine Wangen hinab. Gleich würde ich zusehen müssen, wie Malus ihn vernichtete. Vor meinem geistigen Auge sah ich noch einmal, wie er mich immer gewarnt hatte. Ich erinnerte mich daran, wie er stundenlang versucht hatte, mir beizubringen, das Licht zu kontrollieren. Ein kurzes Lächeln umspielte meine Lippen, als ich daran dachte, wie ungeschickt ich mich angestellt hatte und wie hartnäckig er gewesen war.
»Es ist dein Erbe und du wirst verdammt noch mal lernen es zu beherrschen«, hatte er immer wieder gesagt und mich aufgefordert, es noch einmal zu versuchen. Ich stutzte. Mein Erbe? Plötzlich fügte sich eines zum anderen und ich hätte am liebsten vor Freude laut aufgelacht.
Ich sah zu meinem Vater und unsere Blicke trafen sich. Lautlos formte ich mit den Lippen die Worte: »Sag den Namen.« Mein Vater sah mich verständnislos an und zuckte ratlos mit den Schultern. Ich wiederholte das Ganze, doch auch diesmal schien er nicht zu verstehen, was ich
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