Blutrubin Trilogie - Band 3: Das Vermächtnis (German Edition)
das Einzige gewesen, was er geplant hatte. Womöglich hatte er vor auch James umzubringen. Wer wusste schon, was in diesem kranken Geist vor sich ging.
Aiden hatte sich völlig in den Wunschgedanken verrannt, seinen Bruder Robert zu retten, der schon seit mehreren Monaten tot war. Wie Evelyn es geschafft hatte, an ihn heranzutreten und ihm einzureden, dass sie dazu in der Lage sei, war mir ein Rätsel.
Aber auch wenn ich Aiden für das, was er mir angetan hatte, hasste, so konnte ich ihn doch auch irgendwie verstehen. Evelyn hatte gesagt, wenn es um James ginge, würde ich genauso handeln und damit sie nicht ganz unrecht. Um das Leben des Mannes zu retten, den ich liebte, würde ich alles tun.
Zum Glück war es James nicht gelungen, Evan einzuholen und dieser war seit unserer Ankunft verschwunden. Er tat mir leid, denn er wusste ja überhaupt nicht, was eigentlich los war. James hatte ihm nicht einmal erklärt, warum er ihn töten wollte, sondern war einfach nur mit dem Schwert auf ihn losgegangen. Ich fragte mich, wo er sich versteckte.
Die Sache mit den beiden Quellen der Macht verdrängte ich unterdessen erfolgreich. Zum einen konnte ich in meinem momentanen Zustand sowieso nichts diesbezüglich unternehmen und zum anderen war es mir nicht möglich, noch einmal in dem Buch zu lesen, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Ich hatte es versucht, doch wie bei allen anderen Dingen auch, waren meine Hände in der Lektüre versunken, als ich danach greifen wollte. Also hatte ich diese Sache vorerst auf Eis gelegt.
Nachdem ich zwei weitere Wochen vergeblich versucht hatte, etwas mittels meiner Gedanken zu bewegen, gab ich resigniert auf. Mittlerweile bezweifelte ich sogar, dass es überhaupt möglich war.
Stattdessen streifte ich ziellos durch die Burg und ertappte mich immer wieder dabei, wie ich James Nähe suchte. Oft saß er stundenlang vor dem Kamin und starrte mit leeren Augen in die Flammen. Es schien fast, als habe er allen Lebensmut verloren. Ab und zu raffte er sich dazu auf, mit Vasili, Balthasar und Aiden die aktuelle Ubour Situation zu analysieren und Angriffspläne auszuarbeiten, aber dies war eher selten der Fall. Keiner der anderen Vampire sagte etwas und Balthasar hatte, ohne zu murren, James sämtliche Aufgaben übernommen.
Aiden ging noch immer auf der Burg ein und aus, als sei er ein guter Freund und nicht der Verräter, der für meinen Tod verantwortlich war. Zähneknirschend musste ich mit ansehen, wie er Mitgefühl heuchelte und James tröstende Worte zusprach.
In diesen Momenten wünschte ich mir nichts sehnlicher, als ein Schwert in die Hand nehmen zu können, und ihm den Schädel vom Rumpf zu schlagen. Doch da ich nicht dazu imstande war, musste ich tatenlos zusehen, wie er sich auch weiterhin als fürsorglicher Freund ausgab.
Seit meinem Tod kam auch Gabriela immer häufiger zu Besuch. Und immer wenn ich sie sah, war sie bei James. Langsam drängte sich mir der Verdacht auf, dass sie mehr wollte, als ihn nur zu trösten. Nicht selten legte sie ihm den Arm auf den Rücken oder griff mitfühlend nach seiner Hand. Es beruhigte mich ungemein zu beobachten, dass James nichts von ihren Annäherungsversuchen hielt und jedes Mal dezent zurückwich, wenn sie versuchte, ihn zu berühren.
Sille verbrachte die meiste Zeit auf ihrem Zimmer. Dort saß sie stundenlang auf dem Bett und starrte in die Nacht hinaus. Es war offensichtlich, dass auch sie den Schock über meinen plötzlichen Tod noch nicht überwunden hatte und ihre eigene Zeit zum Trauern benötigte.
Wie gerne hätte ich mich zu ihr gesetzt und mit ihr über all das gesprochen, was mir durch den Kopf ging. Zwischen Sille und mir war in den letzten Monaten eine enge Freundschaft entstanden und gerade jetzt hätte ich ihren Rat gut gebrauchen können.
Eines wurde mir in dieser Zeit jedoch klar: Ich konnte nicht darauf hoffen, dass irgendein Zufall mir in die Hände spielte und sich meine Situation von alleine ändern würde. Ich musste selbst etwas unternehmen und das so schnell wie möglich.
Ich starrte in den Himmel über mir und beobachtete die Wolken, die langsam an mir vorüberzogen und dabei kaum merklich ihre Form veränderten. Mittlerweile war es Ende Juli und die Natur blühte und strahlte in den schillerndsten Farben. Das Gras, auf dem ich lag, war lange nicht mehr gemäht worden und so sah ich Berta erst, als sie neben mir Platz nahm. Sie sagte nichts, sondern streckte ihr Gesicht der Sonne entgegen und stöhnte
Weitere Kostenlose Bücher