Blutrubin Trilogie - Band 3: Das Vermächtnis (German Edition)
sich mir bot, ein Schlaganfall dahingerafft. Wir befanden uns anscheinend im Wohnzimmer oder dem, was davon noch zu erkennen war. Überall lagen leere Flaschen am Boden und jeder Tisch und Schrank war mit dreckigem Geschirr zugestellt.
In der Mitte des Zimmers stand ein grünes Cord-Sofa, dessen Bezug unzählige Löcher hatte, aus denen weißer Schaumstoff quoll. Quer darüber lag ein laut schnarchender Mann, der eine halb volle Wodkaflasche umklammerte, als handle es sich um eine Boje, die ihn vor dem Ertrinken bewahrte.
»Das ist nicht dein Ernst, oder?«, sagte ich zu Ian, der sehnsüchtig auf einen Teller starrte, auf dem ein Stück Pizza lag. Im Gegensatz zu vielen anderen Speiseresten im Zimmer schien dieses Stück seinen Aggregatzustand noch nicht sichtbar verändert zu haben und sah aus, als sei es noch zum Verzehr geeignet. Ian riss seinen Blick los und konzentrierte sich auf Henry, der gerade eine Salve laut grunzender Geräusche von sich gab.
»Ist er krank?«, fragte Berta und blickte besorgt auf den schmächtigen, grauhaarigen Mann.
»Ich glaube nicht, dass irgendein Virus oder eine Bakterie lange genug in ihm überleben würde«, antwortete ich. Dann wandte ich mich wieder zu Ian, der mit konzentriertem Gesichtsausdruck versuchte, nach dem Stück Pizza zu greifen. Natürlich gelang es ihm nicht und seine Hand fuhr tief in den kleinen Tisch, auf dem der Karton stand.
»Würdest du bitte damit aufhören und endlich deinen Freund aufwecken«, blaffte ich ihn an. Er ging zum Sofa und beugte sich tief hinunter, dann brüllte er:
»Aufwachen! Du hascht Beschuch« Henry MacLachlan riss die Augen auf. Als er Ians Gesicht dicht vor dem seinen sah, begann er zu schreien. Ian trat erschrocken einen Schritt zurück und warf uns einen Hilfe suchenden Blick zu. Nach einem Augenblick verstummte Henry und sah erst verwirrt zu Ian, dann zu uns. Sein Blick verdüsterte sich, als er sich aufrichtete und sich in eine sitzende Position quälte.
»Was habt ihr hier zu suchen?«, fuhr er uns an. Emma und Berta blickten zu mir, doch ich nickte Ian zu, der sich verlegen die Hände rieb.
»Wir schind hier, um disch um deine Hilfe schu bitten«, sagte er leise zu MacLachlan, der uns noch immer stirnrunzelnd musterte. Sein Blick lag auf mir, als er antwortete:
»Ihr solltet doch mittlerweile wissen, dass ich nichts mehr mit Geistern am Hut habe.« Er nahm einen Schluck aus seiner Flasche, rülpste anschließend laut und nickte dann mit dem Kinn in meine Richtung. »Wer ist das?«, fragte er knapp. Bevor einer meiner Begleiter antworten konnte, trat ich einen Schritt nach vorn.
»Mein Name ist Claire Mitchell . Ich bin hier, damit sie mich materialisieren«, antwortete ich so entschlossen wie möglich. Henry MacLachlan starrte mich einen Augenblick lang an, dann warf er den Kopf in den Nacken und lachte lauthals. Er hielt sich den Bauch und lachte, bis ihm die Tränen aus den Augen quollen.
Ich sah ihn finster an und spürte, wie die Wut über sein Verhalten immer größer wurde. Was bitte schön war daran denn so witzig? Als er auch nach fast einer Minute immer noch wie ein Wahnsinniger kicherte, wurde mein Zorn übermächtig. Meine Hand schoss wie von selbst nach vorne und ich schlug ihm die Flasche aus der Hand, die laut klirrend auf dem Boden zerbrach. Selbst erschrocken darüber, dass es mir gelungen war, etwas zu bewegen, starrte ich auf die Scherben am Boden, die in einer Pfütze aus Wodka lagen.
Henrys Lachen war schlagartig verstummt. Meine Begleiter starrten mich mit offenen Mündern und großen Augen fassungslos an.
»Was?«, fragte ich barsch, selbst noch verdattert über das, was ich eben getan hatte. Emma deutete auf die zerbrochene Flasche.
»Du hast ihm die Flasche aus der Hand geschlagen«, sagte sie halb entsetzt, halb bewundernd.
»Das weiß ich selbst«, brummte ich und blickte dann wieder zu MacLachlan, der den Kopf zur Seite gelegt hatte und mich jetzt überaus interessiert musterte.
»Ich weiß nicht, wann ich zum letzten Mal einen Geist getroffen habe, der stark genug war, um im unmaterialisierten Zustand etwas zu bewegen«, murmelte er und kratzte sich dabei nachdenklich am Kinn. »Wer bist du?«, fügte er fragend hinzu.
»Mein Name ist Claire. Das hab ich doch schon gesagt«, antwortete ich. Henry schüttelte den Kopf.
»Das meine ich nicht. Vielleicht sollte ich mich etwas genauer ausdrücken. Was bist du oder besser gesagt, was warst du, bevor du gestorben bist?«
Ich sah ihn verwirrt
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