Blutrubin Trilogie - Band 3: Das Vermächtnis (German Edition)
blieben nur noch sechs Tage. Wie sollten wir es in dieser Zeit schaffen, den magischsten aller Orte zu finden und Evelyns Vorhaben zu vereiteln?
Plötzlich schoss mir ein neuer Gedanke durch den Kopf. Um ihren Plan in die Tat umzusetzen, benötigte Evelyn das Blut aller Schattenwächter. Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken, als ich mir in Erinnerung rief, dass ich meinen Vater schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte.
Befand er sich etwa schon in Evelyns Gewalt, so wie vielleicht auch die anderen vier Schattenwächter? Nein, so etwas durfte ich gar nicht erst denken.
»Alles klar?«, fragte Robert und musterte mich besorgt.
»Ich bin mir nicht sicher«, antwortete ich und registrierte irritiert, dass meine Stimme zitterte. James, der seinen Arm um meine Schultern gelegt hatte, zog mich an sich.
»Was ist denn los?«, wollte er wissen und suchte in meinen Augen nach einer Antwort.
»Du bist ja kreidebleich«, stellte Baobhan Shin fest. Sie erhob sich und verschwand in der Küche. Kurz darauf kam sie mit einem Glas Wasser zurück, das sie mir reichte. Dankbar nahm ich es entgegen und trank einen großen Schluck.
»Wenn Evelyn diese Quelle befreien will, benötigt sie das Blut der Schattenwächter.« Ich machte eine Pause und nahm einen weiteren Schluck Wasser, während ich meine Freunde beobachtete, in deren Gesichtszügen sich nach und nach die Erkenntnis spiegelte. Sille schlug sich entsetzt die Hand vor den Mund und Berta keuchte erschrocken auf. Nur Henry sah mich verständnislos an.
»Und?«, wollte er wissen. Als Berta ihn in die Rippen stieß, schrie er kurz auf. »Hey, was soll das?«
»Claires Vater ist einer der Schattenwächter, hast du das vergessen?«, erinnerte sie ihn. Sofort schoss ihm die Röte ins Gesicht.
»Oh, sorry«, murmelte er verlegen und rutschte noch tiefer in den Sessel. Ich drehte mich zu Baobhan Shin.
»Du bist die Einzige, die uns helfen kann. Wir müssen herausfinden, ob die Schattenwächter in Sicherheit sind und wir müssen sie unbedingt warnen. Außerdem musst du uns helfen, diesen magischen Ort zu finden. Du kannst damit vielleicht Roberts Schicksal ändern. Dies ist möglicherweise der einzige Weg um ihn wieder zurückzuholen«, appellierte ich an die Seherin. Ich hatte Robert ins Spiel gebracht, und damit den einzigen Trumpf gezogen, der mir zur Verfügung stand.
Ihr wichtigstes Anliegen musste doch sein, ihren Sohn zu retten, oder? Hastig streckte ich meine Hand aus und warf James einen auffordernden Blick zu. Er wusste auch ohne Worte, was ich von ihm wollte und zog die beiden Kopien aus seiner Hosentasche, die er angefertigt hatte. Ich nahm sie entgegen und reichte sie an Baobhan Shin weiter.
»Du musst deine Schüssel nach diesem Rätsel befragen«, bat ich sie.
Aufgeregt und voller Erwartung suchte ich in ihren Gesichtszügen nach einer Regung, die mir verriet, wie sie sich entscheiden würde. Dann stutzte ich. Baobhan Shin liefen Tränen über die Wangen.
»Ich würde euch gerne helfen, aber ich kann es nicht, weil ich keine Seher-Gabe mehr besitze.« Plötzlich war es totenstill im Raum. Niemand wagte etwas zu sagen und alle starrten verwirrt zu Baobhan Shin.
»Du hast keine Seher-Gabe mehr?«, wiederholte ich in der Hoffnung, dass ich mich verhört hatte und sie diesen Irrtum unverzüglich aufklären würde.
»Schon seit fast einem Monat nicht mehr«, bestätigte sie.
»Aber wie ist das möglich?«, stammelte Sille ungläubig.
»Die Trinität ist der Meinung, dass ich mich als nicht würdig erwiesen habe«, informierte sie uns. Robert fiel bei ihren Worten die Kinnlade auf die Brust.
»Ich glaube, die spinnen. Haben sie dir etwa deine Gabe entzogen?« Baobhan Shin nickte zustimmend.
»Nachdem die Ubour nicht davor haltgemacht haben, mich anzugreifen, um an den mir anvertrauten Blutrubin zu kommen und ich fliehen musste, tauchten sie irgendwann in meinem Versteck auf. Zu dem Zeitpunkt hatte Claires Vater durch seinen kurzzeitigen Tod bereits alle Blutrubine zerstört. Auch den, den ich bei mir trug. Die drei Schwestern waren außer sich und behaupteten, ich hätte meine Kräfte einsetzen müssen, anstatt zu fliehen. Als ich ihnen widersprochen habe und erklären wollte, dass es zu viele Ubour waren, die ich unmöglich hätte alleine überwältigen können, wurden sie erst richtig wütend. Ohne eine weitere Erklärung nahmen sie mir meine Seher-Gabe und verschwanden. Ich kann von Glück reden, dass sie mir nicht auch noch meine
Weitere Kostenlose Bücher