Blutrubin Trilogie - Band 3: Das Vermächtnis (German Edition)
passenden Worten. Wie konnte ich ihm schonend beibringen, dass auch diese Frau bereits ein sehr hohes Alter erreicht hatte.
»Na ja, junges Ding trifft es vielleicht nicht so ganz«, gestand ich. Für einen kurzen Augenblick war es ganz still, dann machte der Mann einige Schritte auf einen Stuhl zu und setzte sich.
»Mir war schon bewusst, dass ich hier unten völlig den zeitlichen Bezug verloren habe, aber das ist jetzt doch ein Schock«, flüsterte er.
»Wie lange sind sie denn schon hier?«, wiederholte ich meine Frage von vorhin.
»Ich bin Bruder Hieronymus und bewache diesen Raum, seit der letzte Mönch das Zeitliche gesegnet hat. Das war ...«, er schloss die Augen, um nachzudenken. » … 1924. Kurz nach der Hochzeit von Elisabeth und König George.« Mit weit aufstehendem Mund sah ich ihn an. Ich konnte nicht fassen, was er da eben gesagt hatte. Ganz automatisch huschte mein Blick über die Einrichtung, die zugegeben, sehr spartanisch war.
Außer einem Bett, einem Tisch mit passendem Stuhl und mehreren Regalen, waren keinerlei andere Möbel zu erkennen. Was aber noch verwunderlicher war: Nirgendwo konnte ich Nahrung oder Getränke ausmachen. Ganz zu schweigen von einer weiteren Tür, die zu einem Bad oder dergleichen führen konnte.
Bruder Hieronymus folgte meinem Blick, und als ich ihn wieder ansah, spiegelte sich Verstehen in seinen Zügen.
»Auf diesem Raum liegt ein Zauber. Jeder, der sich in diesem Zimmer befindet benötigt weder Nahrung noch Flüssigkeit. Dementsprechend gibt es natürlich auch keine menschlichen Bedürfnisse«, erklärte er.
»Und sie sind seit 1924 permanent hier unten?«, fragte ich ungläubig. Er nickte zustimmend.
»Ja, ich habe geschworen die Artefakte zu bewachen, bis ich irgendwann abgelöst werde.« Ich war sprachlos. Der arme alte Mann saß seit Jahrzehnten hier unten fest und wusste gar nicht, was in der Welt vor sich ging. Nicht auszudenken, was die Ubour mit ihm angestellt hätten, wenn sie vor uns hier gewesen wären.
Ich machte einige Schritte zu den Regalen und betrachtete deren Inhalt etwas genauer. Neben einigen sehr alt wirkenden Büchern befanden sich auch recht absonderliche Gegenstände darin.
Ich meinte eine Kette zu erkennen, die aus kleinen Knochen gearbeitet war und eine Hasenpfote mit blutroter Spitze. Gleich daneben stand ein uralter Kelch, der zwar reich verziert war, aber auch schon bessere Tage gesehen hatte.
»Was ist das?«, wollte ich wissen und deutete auf den Kelch. Hieronymus sah auf und reckte den Hals.
»Ach das«, er machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Das ist der Heilige Gral«, erklärte er. Ich kicherte belustigt, doch als ich seinen ernsten Gesichtsausdruck sah, verebbte mein Lachen. Meinte er das etwa ernst?
»Und was ist das?«, erkundigte ich mich und zeigte auf einen wunderschönen großen Kristall. Wieder streckte er sich, um zu sehen, was ich meinte.
»Der Stein der Weisen«, sagte er als handle es sich um etwas völlig Belangloses. Ich warf einen fragenden Blick zu James, doch der zuckte nur kurz mit den Schultern.
»Jetzt mal im Ernst, was ist das wirklich?«, fragte ich grinsend.
»Hab ich doch gesagt. Das ist der Stein der Weisen«, wiederholte er.
»Na gut, wie auch immer«, entgegnete ich. »Gibt es hier auch den Codex Hostimentum?« Die wachsamen Augen des Alten musterten mich skeptisch.
»Und wenn dem so wäre? Was wollt ihr mit dem Codex?« In seiner Stimme klang eine gehörige Portion Argwohn. James trat jetzt nach vorne und gemeinsam erklärten wir, warum wir hier waren.
»Ich weiß nicht was ich sagen soll«, flüsterte Hieronymus und kratzte sich am Kopf. Wir hatten ihm alles erzählt und er schien sichtlich erschüttert zu sein.
»Sie müssen uns helfen«, flehte ich zum hundertsten Mal. Jetzt erhob er sich, die Arme hinter dem Rücken verschränkt und tigerte unruhig vor uns auf und ab. Dabei besah er sich den Boden mit einer derartigen Intensität, dass ich schon glaubte, er habe vielleicht etwas verloren. Plötzlich blieb er ruckartig stehen und wandte sich zu mir.
»Ich habe geschworen die Artefakte zu bewachen und dafür Sorge zu tragen, dass sie niemals diesen Raum verlassen. Hier sind sie sicher«, entgegnete er.
»Sicher? Das soll wohl ein Witz sein«, mischte sich Balthasar ein. »Wären wir nicht die Guten, sondern eine Handvoll Ubour, dann wäre der Codex schon lange nicht mehr hier. Und wer weiß, was diese Kreaturen noch alles mitgenommen hätten«, sagte er und deutete auf die
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