Blutsauger
Gespräch eine gewisse Unruhe hatte erkennen lassen, schien seine alte Gelassenheit zurückgewonnen zu haben. »So tragisch dies alles ist, alter Freund, aber ohne uns beide läuft da nichts«, stellte er fest, nachdem Brugger erneut seine Sorge über die weitere Entwicklung des Unternehmens zum Ausdruck gebracht hatte. »Und wenn wir’s genau und nüchtern betrachten, dann wäre Johannes ohnehin früher oder später ausgestiegen.«
Dass Johannes Fallheimer letztlich zu einem gewissen Risikofaktor geworden war, hatten sie schon gestern diskutiert. Doch einen solchen Gedanken mochte Brugger jetzt nicht aufkommen lassen. Denn dies würde ja das Eingeständnis bedeuten, dass ihnen sein unerwarteter Tod nicht ungelegen gekommen wäre.
Was ihn wesentlich mehr plagte, war Maronns gestrige Bemerkung gewesen, es sei etwas aus dem Ruder gelaufen. »Du hast gesagt, Lena …«
Maronn unterbrach ihn abrupt: »Lass’ Lena bitte ganz aus dem Spiel. Sie hat mit dem allem nichts zu tun. Sie hat mir gegenüber nur ihre große Sorge um ihren Vater zum Ausdruck gebracht. Eine Sorge, die möglicherweise nicht unberechtigt war.«
»Wenn man davon ausgeht, dass der Unfall kein Unfall war«, gab Brugger zu bedenken.
»Und davon dürfen wir ausgehen«, stellte Maronn unerwartet ernst fest. Er nahm einen Schluck aus dem Glas und sah durch die Glasfront auf den Horizont hinaus, wo sich weit draußen Meer und Himmel vereinten.
Brugger spürte plötzlich wieder die innere Unruhe. »Du meinst also auch, dass sie Johannes und Anja …?«
Maronn schaute nachdenklich. »Da sind Kräfte am Werk, die wir uns vermutlich gar nicht vorstellen können.«
Dass die Drohanrufe, mit denen einige der Geldgeber eingeschüchtert werden sollten, auf solche Kräfte hindeuteten, hatten sie beide gestern Abend stundenlang diskutiert. »Du meinst, dass die Pharma-Industrie …?«, warf Brugger ein, obwohl sie längst diese Variante in Erwägung gezogen hatten.
»… nervös wird?«, beendete Maronn den angefangenen Satz seines Kollegen. »Zumindest dürfte den Gelhaarigen in den Manager-Suiten unser Vorhaben nicht verborgen geblieben sein.«
Brugger wusste, wer gemeint war. Auch für ihn trug der Prototyp des angeblich so jung-dynamischen Managers das Haar glatt gegelt – vermutlich, um die aalglatte Schlüpfrigkeit gleich nach außen hin zu dokumentieren. »Hast du mit den anderen schon gesprochen?«, fragte Brugger, der unterm kurzärmligen Hemd zu schwitzen begann.
Maronn nickte bedächtig. »Friedrich und Edgar sind informiert. Ich glaub, es ist mir gelungen, sie zu beruhigen. Sie haben ohnehin nur ihr Geld zu verlieren, nicht ihren Ruf. Niemand wird vermuten, was sie hier treiben.«
»Geld reicht schon«, warf Brugger ein.
Sein Geschäftspartner blieb gelassen: »Ich halte nichts von vorschnellen Aktionen, das weißt du. Eile da, wo’s brennt. Solange der Brandstifter anderswo sein Unwesen treibt, kann man sich auf ihn einstellen und die Abwehrmaßnahmen in Ruhe treffen. Und je ruhiger man dies tut, desto effektiver sind sie. Glaub mir das einfach mal so.«
»Und Humstett? Was sagt der dazu?« Bruggers Stimme klang hektisch. Er beneidete seinen Geschäftspartner um diese Gelassenheit.
Maronns Lächeln wirkte beinahe väterlich. »Mit Humstett hab ich telefoniert. Er wird ab nächsten Monat seine Arbeit hier bei uns fortsetzen.«
»Hier?« Für Brugger kam diese Entscheidung überraschend. »Du willst Laichingen aufgeben?«
»Ja. Der Standort auf der rauen Alb da oben war zwar verkehrsgünstig nah an der A8, aber der Nährboden für unser Vorhaben ist hier unten besser – nicht nur des meteorologischen, sondern auch des wissenschaftlichen Klimas wegen.«
»Dir wird der Boden in Deutschland zu heiß«, stellte Brugger erschrocken fest.
»Wir sollten nicht in Hektik verfallen«, beruhigte ihn Maronn und deutete ein Lächeln an. »Vorläufig sind wir hier weit ab vom Schuss.«
»Du, ja«, Bruggers Bestätigung klang eher vorwurfsvoll. »Aber ich muss nächsten Sonntag wieder zurück.«
»Bis dahin …« Sein Gegenüber grinste optimistisch, »… bis dahin warten ja noch ein paar aufregende Stunden auf dich. Mensch, alter Knabe, lass dir ja nicht die Lust vermiesen.«
Brugger vermochte sich nicht mehr auf morgen Abend zu freuen. »Ich wünschte, ich hätt das alles gar nicht gemacht.«
»Was denn?«, zeigte sich Maronn erstaunt und höhnte: »Was, plötzlich die Lust vergangen oder was? Mach dir nicht gleich in die Hose, alter
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