Blutsbande: Die Rachel-Morgan-Serie 10 - Roman (German Edition)
anzukämpfen. Ihre Gefühle zu empfinden – selbst gefiltert durch meine Gedanken – strengt mich an und erschwert es, mein seelisches Gleichgewicht zu bewahren.«
Das passte zu dem, was Ivy gesagt hatte. Ich zitterte, als Ninas Augen plötzlich schwarz wurden und ihre Haltung etwas Bedrohliches bekam.
»Ich bin ziemlich hungrig«, sagte sie beiläufig. »Aber nicht nach Blut. Ich will die Sonne auf meinem Gesicht spüren, und zwar nicht durch Nina. Es wird immer schwerer, nicht einfach aufzugeben und … ins Sonnenlicht zu treten. Dieser erlesene Moment der Freude wäre es vielleicht wert, alles zu beenden.« Sie sah wieder zu mir. »Und, was denken Sie?«
Ich legte die Handflächen auf die Arbeitsfläche und kämpfte gegen den Drang an, mehr Abstand zwischen sie und mich zu bringen. »Ich denke, Sie müssen bleiben, wo Sie sind. Im Dunkeln.«
Der untote Vampir dachte einen Moment darüber nach, dann nickte er und seufzte leise. Alle Anspannung verließ seinen Körper. »Vielleicht haben Sie recht«, sagte Nina. Ich atmete auf, als sie sich nun auf Glenn konzentrierte. Er stand am anderen Ende des Raums und sah zu Jenks auf, der in einem Heizungsrohr stand. »Dieser Detective Glenn … Meinen Informationen zufolge arbeitet er seit über einem Jahr immer mal wieder mit Ihnen zusammen. Halten Sie ihn für … vertrauenswürdig? Unvoreingenommen?«
Ich wusste den Themenwechsel zu schätzen und entspannte mich etwas. Unvoreingenommen. Was er/sie wirklich meinte, war vorurteilsfrei. Es war eine verständliche Frage. »Ja, ich arbeite jetzt seit ein paar Jahren immer wieder mit ihm«, bestätigte ich und erinnerte mich daran, wie Jenks ihn gepixt hatte, als Glenn mich einmal fast entführt hatte. Ich lachte leise, dann erklärte ich: »Als wir uns das erste Mal begegnet sind, hatte er keine Angst vor mir. Er fürchtet mich immer noch nicht, aber Respekt hat er recht schnell gelernt.«
Nina nickte zustimmend. »Respekt kann einen allerdings nicht immer retten. Er war mit einem erfahrenen Vampir zusammen«, sagte sie. Der Blick, den sie Glenn zuwarf, weckte Beschützerinstinkte in mir. »So wie es aussieht, mit einem toten Vampir.«
Besorgt zog ich die Knie wieder an die Brust. Hier unten war es kalt. »Glenn? Nein. Er geht mit Ivy aus. Er ist zu klug, um sich mit einem toten Vampir einzulassen.«
»Mit ihr?«
Nina klang so ungläubig, dass ich automatisch die Stirn runzelte und zu Ivy und Glenn hinübersah, die gerade irgendetwas mit Jenks diskutierten. Jenks war nicht glücklich, und unter ihm sammelte sich roter Staub. »Ja, mit ihr«, sagte ich. Ivys alter Meister hatte sie in etwas verwandelt, das einem Untoten sehr nahe kam, auch wenn sie noch lebte. Und das nur, um seine verdorbenen Gelüste zu befriedigen. »Sie werden sie in Ruhe lassen«, fügte ich hinzu, »oder ich spüre Sie auf, Mr. Ome-wie-auch-immer-sie-heißen, und dann werden ich und mein kleiner Pixiefreund etwas sehr Endgültiges tun.«
Nina lächelte nur übertrieben liebenswürdig. Ich befühlte das Armband an meinem Handgelenk. Würde ich es abnehmen, um Ivy zu retten? Wahrscheinlich, auch wenn es mein Leben ins Chaos stürzen würde. Plötzlich wurde Nina ernst. »Sie meinen das ernst«, stellte sie mit weit aufgerissenen braunen Augen fest. »Dann möchte ich mich entschuldigen. Ich werde sie in Ruhe lassen.«
»Gut«, sagte ich angespannt. Warum ist er so freundlich? Es ist fast, als wäre gestern gar nichts passiert .
Ivy hatte meine Wut gerochen. Sie schob die Haare zur Seite, sah mich an und warf dann einen fragenden Blick zu Nina. Ich schickte ihr ein hasenohriges Küsschen, um sie wissen zu lassen, dass alles okay war. Daraufhin sagte sie etwas zu Jenks, der laut lachte.
»Sie weiß, dass Sie über sie reden«, sagte Nina und klang fast wehmütig.
»Jau.« Ich wollte nicht darüber nachdenken, wie eng unsere Bindung sein musste, um das zu ermöglichen. Unwissenheit kann auch ein Segen sein.
Jenks schoss in die Luft und sauste dort auf und ab wie ein Jojo. Ich schob vorsorglich meine Haare beiseite, als er auf mich zukam, aber er landete auf meinem Knie. Seine Flügel waren grau vor Kälte und klapperten. Seitdem er hier unten war, wurden sie immer lauter.
»Alles okay?«, fragte ich besorgt. »Sollen sie die Heizung hochdrehen?«
»Nö, geht schon«, sagte er, aber trotzdem nutzte er die Wärme, die von meinen Knien aufstieg. »Die Leute, die diese Hexe im Park aufgehängt haben, waren definitiv hier. Die Lüftungsschächte
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