Blutsbraeute
auf Fingerabdrücke, Haare und Fasern untersuchen. Der Pathologe versprach, eine Extraschicht einzulegen. Clare war kurz in ihr Zimmer gegangen, um sich fertig anzuziehen, griff jetzt nach ihrem Mantel und der Tasche.
»Landmans Kumpel ist später noch einmal zurückgekommen«, sagte Tyrone zu Clare, während Riedwaan
im Bad verschwand. Seine Stimme klang dünn. Jetzt, nachdem er sich von seinem Geheimnis befreit hatte, wirkte er erschöpft.
»Kenny McKenzie?«, fragte Clare.
»Nicht McKenzie, der andere. Ich weià seinen Namen nicht, aber gegen halb zehn ist er zurückgekommen. Ich habe ihn nicht bedient. Das war der andere Barkeeper, weil ich zu tun hatte. Aber mich hat er um ein Pflaster gebeten, er hatte einen Kratzer an der Hand.«
Clare spürte, wie ihr das Blut in den Adern gefror. »Haben Sie ihm eines gegeben?«
»Ja. Ich habe es ihm aus dem Erste-Hilfe-Schrank geholt.«
»Wie sah er aus, der Kratzer?«
»Ich weià nicht recht, wie soll ich ihn beschreiben? Als ob er mit der Hand an einem Busch hängen geblieben wäre. Oder als ob ihn eine Katze gekratzt hätte«, sagte Tyrone. »Er ist nicht lange geblieben â hat bloà einen Whiskey getrunken und ist wieder gegangen. Es war, als hätte er jemanden gesucht. Vielleicht auch nach etwas gesucht â als ich später die Tische von drauÃen hereingeholt habe, ist er weggefahren. Ich weià nicht, wo er in der Zwischenzeit war.«
»Beschreiben Sie ihn«, sagte Clare.
»Dunkles Haar. Groë, sagte Tyrone. »Er sieht nach Geld aus.«
Riedwaan kam aus dem Bad und trocknete sich die Hände ab.
»Hast du Otis Tohar mal überprüft?«, fragte ihn Clare.
»Nein. Ich weiÃ, dass die fürs organisierte Verbrechen
zuständigen Jungs ihn im Auge haben. Bis jetzt liegt nichts gegen ihn vor.«
»Fahr du voraus. Ich muss noch schnell etwas recherchieren. Triff dich mit Piet. Ich komme dann nach.«
Sie machte die Wohnungstür zu, ehe Riedwaan eine Frage oder Entgegnung äuÃern konnte, und setzte sich an den Computer. Sie gab ihre Suchfrage ein, verspannt vor Erregung. »Komm, komm, komm«, flüsterte sie. Die französische Nachrichtenseite, nach deren Archiv sie suchte, erwachte flackernd zum Leben. Clare versuchte es zuerst im Libanon. Null, bis auf eine Litanei ungesühnter Ehrenmorde. Sie war enttäuscht, sie war sich so sicher gewesen. Aber sie klickte Sierra Leone an, ohne echte Hoffnung. Sie stieà auf eine nicht enden wollende Auflistung von Verstümmelungen und Amputationen. Sie lieà das schnell durchlaufen. Da war es, das, wonach sie gesucht hatte: Wieder Mord an junger Frau, übersetzte sie laut. Ein französischer Journalist, der nach Sierra Leone geschickt worden war, um über die Evakuierung der Familien französischer Soldaten zu berichten, hatte den Artikel geschrieben. Der Tod des Mädchens hatte selbst mitten im üblichen Gemetzel eines Bürgerkriegs etwas Absurdes an sich. Man erkannte die Schönheit des Mädchens sogar auf dem grobkörnigen Digitalbild. Clare erstarrte angesichts der Details. Das Bild zeigte eine Mädchenleiche mit gefesselten Händen, zerschnittenen Augen und grotesk gespreizten Beinen. Clare vergröÃerte die Aufnahme so weit wie möglich. Die Hände des Mädchens umklammerten eine rechteckige Schachtel. Clare starrte das Bild an. Es war eine Videokassette und ein kleiner, silberner Schlüssel.
Das schrille Klingeln ihres Handys brachte Clare auf die Beine. »Hallo?«, sagte sie scharf.
»Clare, hier ist Rita.«
»Hi, haben Sie Cathy King erreicht? Könnten Sie so schnell wie möglich ein Gespräch vereinbaren? Rufen Sie Riedwaan an, er ist eben von hier weggefahren. Wir müssen unbedingt mit ihr reden.«
»Ich bin jetzt hier bei ihr, sisi, aber sie wird mit niemandem mehr reden.«
Aus Clares Beinen wich die Kraft. »Wie meinen Sie das?«, flüsterte sie mit heiserer Stimme.
»Portia Qaba, ihre Haushälterin, hat auf dem Revier angerufen. Ich habe versucht, Riedwaan zu erreichen, aber sein Handy war ausgeschaltet. Deshalb sind Joe Zulu und ich hergefahren. Cathy King ist tot. Es sieht danach aus, als hätte sie eine Ãberdosis Schlaftabletten genommen. Joe hält es für Selbstmord. Der Pathologe auch â er ist jetzt bei ihr.«
»Die arme Frau«, sagte Clare. »Wo habt ihr sie
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