Blutsbraeute
Messer und schnitt ihr damit in die Handfläche. Ihre Knochen knackten, brachen aber nicht, als er ihre Finger
gewaltsam um einen kleinen silbernen Schlüssel schloss. Blut tropfte aus ihrer Faust. Er nahm ein Stück blaues Seil aus der Tasche und wickelte es schnell um die Hand. Sie zwang sich, weder zu stöhnen noch zurückzuweichen. Dann fesselte er ihre Beine und kicherte.
»Wie ein kleines Fohlen«, sagte er, »ein dreckiges kleines Fohlen. Amüsier dich. Hier sind jede Menge Filme, die du dir anschauen kannst. Das da ist der Schlüssel zu ihnen.« Er zeigte auf den Schlüssel in ihrer Hand. »Nimm ihn und schlieà den Schrank auf. Darin ist alles, was du dir zum Anschauen nur wünschen kannst.«
Er beugte sich über sie und küsste sie wieder auf die Wange, bevor er ging. Die schwere Tür schlug zu, die Riegel wurden krachend von auÃen vorgeschoben, und seine Schritte verhallten. Theresa atmete tief ein, dann aus. Sie gab den Schluchzern nicht nach, die ihre Brust bis zum Bersten füllten. Sie würde einen Ausweg finden. Sie versuchte aufzustehen. Mit der Fessel war das schwierig, und ihr Bein tat weh, wo er sie getreten hatte. Ihr Gesicht schmerzte von seinem Schlag, sie hatte Blut und ein Stück von einem abgebrochenen Zahn im Mund. Sie spuckte es auf den Boden. Sie sah sich in ihrer Gefängniszelle um und hoffte inständig, dass sie nicht ihr Grab sein möge.
51
Theresa hatte trotz der Kälte und der Angst geschlafen. Sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, stand mühsam auf und streckte sich gegen das blaue
Seil, mit dem er ihre Knöchel aneinandergefesselt hatte. Sie war erleichtert festzustellen, dass sie beide Beine belasten konnte. Das Rauschen des Meeres drang an ihr Ohr. Der Ozean rebellierte gegen die zurückflutende Ebbe.
Sie schlurfte in ihrem Gefängnis herum. Das Seil verminderte die Blutzufuhr in ihre FüÃe. An den Raum, in den sie gesperrt worden war, grenzte ein zweiter. Es gab nur eine weitere Tür. Sie war aus sehr schwerem Holz und mit einer Stahlplatte geschützt. Theresa stand daneben, lehnte den Kopf an den kalten Stein.
»Hilf mir«, schluchzte sie. »Hilf mir.« Ihre Stimme, rau vor Sehnsucht nach ihrer Mutter, würde auf der anderen Seite der Tür nicht gehört werden. Theresa hob ihr Sweatshirt auf. Es war leicht, das um ihre Hand gebundene Seil zu lösen. Wo der Schlüssel in ihre verletzte Handfläche gedrückt hatte, sammelte sich Blut. Sie saugte es weg, beruhigt von der salzigen Wärme. Sie löste auch ihre FuÃfesseln und schlüpfte nun in ihr Sweatshirt. Vergeblich bemühte sie sich, die viel zu engen Stiefel auszuziehen. Tränen der Wut und der Verzweiflung verschleierten ihren Blick. Sie wusste, dass der Mann zurückkommen würde, und jede Zelle in ihrem Körper zog sich beim Gedanken an seine Rückkehr vor Grauen zusammen. Aber wenn er nicht zurückkam, würde sie hier verhungern. Seine Rückkehr war ihre einzige Hoffnung. Ihr wurde übel, weil es eine so schwache Hoffnung war.
Theresa nahm den Schlüssel in die rechte Hand und steckte ihn in das billige Vorhängeschloss am Schrank neben dem Fernseher. Die Tür schwang fast von alleine
auf. Der Schrank enthielt sieben Videokassetten. Auf der ersten stand Alice im Wunderland. Die anderen hatten keinen Titel. Alle bis auf Alice waren in die herzförmigen roten Schachteln gepackt, die für Hochzeitsvideos verwendet wurden. Jede Schachtel schaukelte sanft an einer Kette, die an einem kleinen Haken hing. In den kleinen Klarsichtfeldern, gedacht für die Namen des Brautpaars, steckten Haarsträhnen. Ein Haken war noch leer. Theresas Herz hämmerte. Für sie.
Theresa erschrak, als die Riegel zurückgeschoben wurden. Sie schloss eilig den Schrank ab und setzte sich auf die zusammengelegten Taue. Die Tür ging auf, und der Mann kam herein, brachte die klamme Feuchtigkeit des Meeres und gedämpfte Geräusche des Strandes mit. Theresa wappnete sich. Sie wusste instinktiv, was auf diesen Videos war. Es gab keine Probeaufnahmen. Es gab nur diese eine Vorstellung. Ihr Leben hing am seidenen Faden ihrer Intelligenz und ihres Glücks.
Der Mann trug einen dicken schwarzen Mantel. Er hatte eine Arzttasche und einen Strauà stark duftender Iris dabei, stellte die Tasche auf den Tisch an der Wand und legte die Blumen daneben. Er würdigte Theresa keines Blickes,
Weitere Kostenlose Bücher