Blutsbraeute
Bruchstück eines Traums von einem Auto,
das eine Staubwolke aufwirbelte â beides verschwand schon wieder aus ihrem Bewusstsein. Sie beugte sich hinüber und küsste den schlafenden Mann an ihrer Seite. Riedwaan lächelte und zog sie an sich, hielt sie fest an seiner Brust. Er küsste sie, ohne die Augen aufzumachen, und sie schlief wieder ein.
Epilog
Landman sitzt am Schreibtisch. Es ist sehr spät, und das einzige Geräusch über dem fernen Tosen der Brandung ist das klagende Heulen des Nebelhorns. Seinen von der Stille um ihn herum eingelullten Sinnen entgeht das leise Klicken eines Schlüssels, der sich in irgendeiner Tür des Hauses dreht. Landman bemerkt auch den stummen Schatten nicht, der die Treppe herunterkommt. Er ist in die Zahlenreihen, die er vor sich liegen hat, vertieft. Sie gehen nicht auf. Der kleine Funke Ãrger, der schon die ganze Zeit in seiner Magengrube rumort, entzündet sich zu lodernder Wut auf Otis Tohar. Das Rauschen seines Blutes lenkt ihn so ab, dass er sich überrascht umdreht, als eine Stimme hinter ihm ruhig und deutlich sagt: »Sieh mich an.«
Ein Mädchen steht auf der Schwelle. Sie kommt ihm bekannt vor. In ihrer Hand hält sie einen Revolver. Das blinde, runde Auge des Laufs ist auf Landman gerichtet. Er lacht, erheitert.
Als er zu lachen aufhört, ist das Schweigen im Raum erdrückend. Sie lässt das starre Auge der Waffe langsam von seinem Gesicht zu seinen provokant gespreizten Schenkeln wandern. Sie schieÃt einmal. Er lacht wieder, überrascht, fasst sich zwischen die Beine. Ãber seine
manikürten Hände ergieÃt sich der rhythmische Strahl arteriellen Blutes.
Sie lächelt, senkt die Waffe, tritt ein paar Schritte zurück und verlässt das Zimmer. Sie schlieÃt die Tür hinter sich. Gelassen hemmt er mit einer Hand die Blutung, tastet mit der anderen nach seinem Handy. Panik überkommt ihn erst, als er feststellt, dass sie es ihm unbemerkt entwendet haben muss.
»Miststück.« Seine Stimme wird bereits schwach.
Ihm bleibt nichts anderes übrig, als an der Zigarette im Aschenbecher zu ziehen und zu hoffen, dass jemand kommt.
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Whitney verlässt das Haus. Das Auto wartet im Leerlauf am StraÃenrand. Die Beifahrertür schlägt hinter Whitney zu. Sie beugt sich hinüber zu der Frau am Lenkrad und streicht behutsam ihre langen Haare zur Seite. Whitney küsst die Narben auf der Wange und lässt das Haar zurückfallen. Die Frau legt ihre Hand auf das verheilende Brandzeichen unter Whitneys T-Shirt. Sie fahren nach Norden. Eine Stunde später liegt die GroÃstadt hinter ihnen. Sie biegen von der geteerten StraÃe ab. Roter Staub wirbelt auf und senkt sich wieder auf den Wagen herab. Die Staubwolke verbirgt sie, aber sie werden ohnehin nicht beobachtet. Constance Hart fährt nach Hause. Zu einem Haus, in dem sie seit zwanzig Jahren nicht gewesen ist, seit Kelvin Landmans Karriere damit begann, dass er ihr sein Zeichen in den Rücken einkerbte. Whitney sitzt neben ihr, reinigt den gestohlenen Revolver ruhig und sorgfältig. Sie summt. Obwohl Constance die Melodie nicht kennt, summt sie mit.
Gespräch mit der Autorin
Bitte erzählen Sie uns etwas aus Ihrem Leben, Margie Orford!
Ich habe immer ein Zigeunerleben geführt. In London wurde ich (offenbar irrtümlich) geboren, meine Eltern sind Südafrikaner. Mein Vater studierte in England Medizin. Wir kamen zurück, als ich noch sehr klein war, und lebten an verschiedenen Orten â in Kapstadt und in Klerksdorp, auf der Farm meiner GroÃeltern. 1972 zog meine Familie nach Windhoek in Namibia. 1979, mit 14 Jahren, kam ich ins Internat und schrieb mich später an der Universität von Kapstadt ein. Als Studentin nahm ich an politischen Aktionen teil und verbrachte 1985 einige Zeit in Haft. Meine Abschlussarbeit schrieb ich im Gefängnis von Pollsmoor, eine sehr seltsame Erfahrung. Dann reiste ich in Europa herum; ich arbeitete in einem Kibbuz in Israel, unterrichtete Englisch in Istanbul. Und ich trampte tatsächlich vom Iran bis nach Amsterdam â was vielleicht nicht sehr klug war, aber ein wunderbares Abenteuer. Zurück in Südafrika machte ich die letzte Prüfung für meinen B. A. 1988 ging ich nach London, wo meine erste Tochter geboren wurde (die auch eine Zigeunerin ist). Es schien mir nur vernünftig zu sein, in London ein Kind zu bekommen â die Stadt war so
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