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Blutsbraeute

Blutsbraeute

Titel: Blutsbraeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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zeigte auf einen roten Ledersessel und wartete, bis sie saß. »Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten? Ein Stück Kuchen?«
    Clare wollte nichts, nahm aber beides. »Es ist sehr freundlich von Ihnen, dass Sie mit mir sprechen.«
    Â»Nichts zu danken. Es ist mir ein Vergnügen.« Clare sah sich in der Wohnung um. Sie war eigens für ihren Besuch aufgeräumt worden. Den Besuch einer Fremden, die Fragen stellen wollte, verwandelte die Einsamkeit in ein seltenes geselliges Beisammensein. Auf den dunklen Tischchen, die zwischen den Sesseln herumstanden, war linkisch Staub gewischt worden. Clare stellte die Tasse ab und stand auf, um sich die gerahmten Fotos auf dem vollgestopften Bücherregal anzuschauen.
    Â»Ihre Kinder?«, fragte Clare und drehte sich zu Harry Rabinowitz um, das erste Bild der Reihe in der Hand. Es zeigte einen Mann, der den Arm um eine zu magere Frau legte, deren Lächeln ihre Gereiztheit nicht verbergen konnte. Vor dem Paar saßen drei Kinder, die ein Berufsfotograf in sichtlich unbequeme Kleidungsstücke gesteckt hatte. Die Jungen hatten teigige, mürrische Gesichter.
Das Mädchen, um die sechzehn, war eine Augenweide: das wie gemeißelte Gesicht umrahmte eine üppige Lockenpracht. Die geschwungenen Brauen passten wunderschön zu den schwarzen Augen.
    Â»Was für ein schönes Mädchen«, sagte Clare.
    Â»Meine Rachel. Die Tochter meines Sohnes. Sie leben in New York.« Er betrachtete das Foto gedankenverloren. Vielleicht, überlegte Clare, dachte er darüber nach, dass das Mädchen jetzt zu einer amerikanischen Frau heranwuchs, die er nicht mehr verstehen würde.
    Â»Das andere Mädchen…« Er zögerte, war unsicher, wie er fortfahren sollte. »Die Tote, die ich gefunden habe, war sie im selben Alter?« Clare nickte. Sie wies nicht darauf hin, wie ähnlich sich die beiden sahen. Mr. Rabinowitz wollte das bestimmt lieber nicht wahrhaben.
    Â»Würden Sie mit mir einen Spaziergang machen?«, fragte sie. »Die Promenade entlang. Vielleicht könnten Sie mir dabei erzählen, was Sie gesehen haben.« Er machte ein ängstliches Gesicht. »Ich weiß, das ist schmerzlich für Sie, aber vielleicht erinnern Sie sich dann an etwas Zusätzliches. An etwas, was Sie der Polizei nicht gesagt haben.«
    Er schien das Für und Wider abzuwägen. »Gut, meine Liebe, einverstanden.« Er ging in den Flur und nahm eine Jacke vom Haken. Dort hing auch ein alter Frauenmantel, der vielleicht vor zehn Jahren modern gewesen war. Er schien schon lange nicht mehr umgehängt worden zu sein, denn die Falten, die sich am Haken gebildet hatten, waren ausgeblichen. Bald würde der Stoff sich auflösen. Clare hatte ihren Mantel noch an, griff also nur nach ihrer Tasche und ging vor Harry Rabinowitz
durch die Wohnungstür. Sie holte den Aufzug herauf, während der alte Mann an den zahlreichen Sicherheitsschlössern hantierte, mit denen er sich schützte. Im Aufzug schwiegen sie beide – sie beobachteten die Stockwerksanzeige, bis sie unten angekommen waren.
    Sie überquerten die Beach Road und nahmen dann eine Abkürzung durch den Park, wo zwei Kinder spielten, beaufsichtigt von ihren gelangweilten Kindermädchen. Die Stadtstreicher waren aufgewacht und schlichen in den kalten Tag hinaus. Mr. Rabinowitz grüßte etliche unter den älteren Spaziergängern. Die jüngeren – besser gekleidet und weniger freundlich – kannte er nicht.
    Eine Frau verkaufte Blumen. Der alte Mann blieb stehen. »Welche passen am besten zu einem jungen Mädchen, Mavis?«, fragte er.
    Â»Iris, würde ich vorschlagen. Nur dreißig Rand pro Bund. Ich gebe Ihnen zwei für fünfzig«, sagte sie. Harry gab ihr das Geld, und die Verkäuferin wickelte die Blumen ein.
    Â»Sie ist ein hübsches Mädchen. Glück gehabt«, sagte die Verkäuferin und zwinkerte Clare zu.
    Â»Sonst mache ich jeden Tag einen Spaziergang, meine Liebe, aber jetzt bin ich das erste Mal draußen, seit ich sie gefunden habe.« Der alte Mann hielt Schritt mit Clare. Die Hafenmauer an der Biegung der Promenade verbarg den Ozean, aber hin und wieder wirbelten die unsichtbaren Wellen Gischtbögen hoch, die sich drehten und dann vor den Füßen der beiden aufklatschten. Sie näherten sich der Three Anchor Bay, wo Mr. Rabinowitz Charnay Swanepoels zerstörten jungen Körper gefunden

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