Blutsbraeute
lassen sollten, weil sie die nächste Charlize würde.«
»Warum hat sie das gesagt?«, fragte Clare.
»Das weià ich nicht. Vielleicht hatte sie ja endlich eine Rolle bekommen. Sie ging dauernd zu Castings. Frances hat gesagt, sie habe das einfach überhört.« Ihr Gesicht war bleich, der Zug um ihren Mund lieà sie erwachsener erscheinen.
»Ist sonst noch etwas passiert?«, fragte Clare.
»Nichts«, sagte Imogen. »Frances ist ins Kino gegangen.«
»Wann war das?«, fragte Clare.
»Das muss so um Viertel vor acht gewesen sein«, sagte Imogen. »Die Vorstellung war um acht. Also ja, Viertel vor acht.« Sie nahm das Nachtischtablett. An der Küchentür blieb sie stehen. »Das war der Abend, an dem sie verschwunden ist, stimmtâs?«
Clare nickte.
»Und wo war sie dann in der ganzen Zeit, bis sie starb?«
Clare sah Imogen an. Sie war kein Kind mehr und hatte bestimmt ein deutliches Bild davon vor sich, was Charnay in den Tagen vor ihrem Tod durchgemacht haben musste. Clare zuckte mit den Schultern. »Ich habe noch keine Ahnung.«
»Ich glaube, sie war eine Nervensäge, diese Charnay«, sagte Imogen und schob sich durch die Schwingtür. »Aber das hatte sie bestimmt nicht verdient.«
»Wer hat das schon verdient?«, sagte Clare zu der Tür, die hinter Imogen zugeschwungen war.
Sie folgte ihrer Nichte zurück an den Kamin, aber es fiel ihr schwer, sich wieder zu setzen. Sie konnte den Nachtisch nicht aufessen. Sie fühlte sich angeschlagen und musste plötzlich allein sein.
»Ich glaube, ich mache mich auf den Heimweg«, sagte Clare und stand auf. Sie trug ein Tablett mit Gläsern in die Küche.
»Lass gut sein«, sagte Marcus. »Du siehst erschöpft aus. Den Rest mache ich.«
Clare küsste ihn auf die Wange. »Danke«, sagte sie. »Ich bin müde. Danke für den Abend.«
»Machâs gut, Clare, auf bald.«
Julie ging mit ihr zum Auto. »Wie war Constance?« »Unverändert, Julie. Wie immer unverändert.« Clare lieà den Motor an. »Danke für den Abend.« Julie winkte und ging zu ihrer Familie zurück, während Clare am Fuà des Hügels in Richtung Sea Point abbog.
14
Clare fuhr durch ruhige StraÃen nach Hause, mied das übliche Wochenendchaos, das sich in den Clubs an der Long Street entlang austobte. Eigentlich hatte sie nicht so lange bleiben wollen, aber es entspannte sie auf angenehme Weise, wenn sie in Julies Familienleben eintauchte. Sie schloss auf, erleichtert darüber, dass sie zu Hause war. Fritzi strich um ihre Beine, erinnerte sie daran, dass sie noch nicht gefüttert worden war. Clare ignorierte es, dass die Katze gekränkt war, weil das Futter so spät in ihren Napf gefüllt wurde. Sie kochte sich eine Tasse Tee, goss einen Schuss Whiskey hinein und sah ihre E-Mails durch. Sie hielt den Atem an, als sie die Nachricht sah.
»Ja«, atmete sie aus. »Ja!« Sie hatte grünes Licht für ihren Dokumentarfilm über Menschenhandel bekommen. Ihre Weigerung, die Geschichte zu ändern oder zu verwässern, hatte sich ausgezahlt. Sie wurde lediglich darauf hingewiesen, die Bösen nicht zu verherrlichen und die Opfer nicht zu unrealistischer Unschuld zu stilisieren. Der geschäftsführende Produzent schrieb ihr, sie solle vor allem der Geldwäsche nachgehen. Wie machte man derart schmutziges Geld zu sauberem, fragte sich Clare, als sie darauf wartete, dass ihre euphorische Antwort gesendet wurde.
Es war nach eins, als sie ins Bett ging. Das Telefon klingelte genau in dem Moment, als sie es sich bequem gemacht und Fritzi sich an ihren Rücken gekuschelt hatte. Sie nahm nicht ab, aber es klingelte wieder. Clare seufzte und holte ihr Handy, das im Arbeitszimmer lag.
»Jakes«, sagte sie, als der Name auf dem Display erschien. Es war seine Privatnummer. »Was fällt dir ein! Es ist ein Uhr morgens.« Clare hörte im Hintergrund Musik und Gläserklirren.
»So spät kann es doch noch gar nicht sein?!« Er hatte getrunken. Sie spürte Ãrger in sich aufsteigen, trotz seiner schmeichelnden, zum Flirten einladenden Stimme.
»Ist es aber. Was willst du?«
»Sei doch nicht so zickig, Clare. Ich bin mir sicher, dass du jetzt nicht mehr arbeitest.«
»Jakes, ich kenne dich jetzt lange genug. Ich weiÃ, dass du nicht zu Hause sitzt und dir Sorgen machst, weil ich einsam sein
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