Blutsbraeute
Unfall.«
»Ich tu dir nichts«, beruhigte sie Clare. »Ich bringe dich zum Arzt.« Whitney sank wieder in den Sitz zurück.
Clare fuhr zur Notaufnahme des City Park Hospitals, einer Privatklinik. Sie hob Whitney aus dem Auto und stützte sie auf dem Weg in den Empfang der Notaufnahme. Whitney beantwortete keine der Fragen, die ihr gestellt wurden, deshalb gab Clare ihre persönlichen Daten an und unterschrieb ein Formular nach dem anderen, bis Whitney endlich zu einem Arzt gebracht werden konnte. Sie wurde in einem Rollstuhl weggefahren, und Clare war allein in dem kalten Raum. Eine Nachtschwester brachte ihr eine Tasse Tee und sagte ihr, die Ãrztin komme bald, um mit ihr über ihre Tochter zu sprechen. Clare stellte den Irrtum nicht richtig. Sie trank dankbar den lauwarmen Tee. Die Erschöpfung wurde jetzt quälend.
Clare schlief fast, als die Ãrztin zu ihr kam.
»Wir haben sie zusammengeflickt und ihr ein Beruhigungsmittel gegeben. Ich bin Erika September.« Sie und Clare gaben sich die Hand. Die Ãrztin wirkte zu jung für ihren Beruf. »Sie hat sehr schwere Körperverletzungen. Das Ganze deutet auf eine von mehreren Personen begangene Vergewaltigung hin. Es gibt jedoch auch schon heilende Wunden, deshalb vermute ich, dass sie mehrere Tage in der Gewalt ihrer Peiniger war.« Die Ãrztin machte eine Pause, wartete darauf, dass Clare sich dazu äuÃerte. Als Clare nichts sagte, sprach sie weiter. »Whitney braucht psychologische Hilfe bei der Traumabewältigung. Ich habe veranlasst, dass schon morgen mit der Therapie begonnen wird. AuÃerdem muss der Fall der Polizei gemeldet werden.«
»Diese Entscheidung überlasse ich Whitney«, sagte Clare. Erika September wandte sich im Gehen zurück an Whitney. »Sie können jetzt zu ihr«, sagte sie über die Schulter hinweg. »Ich hoffe, dass sie Anzeige erstattet. Ich bekomme viel zu viele Mädchen in solchem Zustand zu sehen.«
»Was ist mit einer HIV-Prophylaxe?«, fragte Clare, als sie der jungen Frau durch den schwach beleuchteten Flur folgte.
»Sie hat eben die erste Dosis bekommen. Sie sollten die Behandlung genau überwachen. Sie muss die Termine hier wahrnehmen.« Die Ãrztin machte eine Pause, die Hand an der schweren Tür. Sie sah Clare in die Augen. »Sie ist über einen längeren Zeitraum hinweg mehrfach vergewaltigt worden. Falls sie vor mehr als zweiundsiebzig Stunden infiziert wurde, schlägt die Therapie nicht an.« Sie machte die Tür auf, trat beiseite und lieà Clare in den Behandlungsraum treten. Whitney lag auf dem hohen Bett, hatte sich unter der Decke wie ein Fötus zusammengerollt. Sie war gründlich gewaschen und in ein weiÃes Krankenhausnachthemd gesteckt worden.
»Whitney«, sagte Clare und beugte sich über sie. »Ich bin Clare Hart. Ich habe dich hierhergebracht.« Von dem Mädchen kam keine Reaktion, aber als Clare ihren Arm berührte, zuckte Whitney zusammen, als ob Clares kühle Hand sie verbrennen würde. Clare nahm die Hand jedoch nicht weg. Erst schreckte Whitneys Körper aus Panik vor der Berührung zurück, dann entspannte er sich langsam wieder, weil der Schmerz ausblieb.
»Whitney«, flüsterte sie ihr ins Ohr, »wie fühlst du
dich?« Das Mädchen rollte sich noch enger zusammen. »Wer hat dir das angetan?«
»Niemand.« Ihre Stimme klang brüchig, verwundet wie der Körpe. »Es war bloà ein Unfall. Niemand.« Clare fuhr über das zarte Schulterblatt unter dem Nachthemd. Eine gelbe zähe Flüssigkeit war ausgetreten und befleckte die gestärkte Baumwolle.
»Was ist das?«, fragte sie an die Ãrztin gewandt, die auf der anderen Bettseite stand.
»Brandsalbe.« Erika September war auf einer Farm aufgewachsen. Daher war sie sich sicher, dass Whitney ein Brandeisen aufgedrückt worden war. Genauso hatte ihr Vater jedes Jahr die jungen Kühe aus seiner Zucht gekennzeichnet. »Sie ist auÃerdem an Händen und Schenkeln mit Zigaretten verbrannt worden.«
Clare zog sich der Magen zusammen. »Whitney«, versuchte sie es noch einmal. »Können wir morgen die Polizei rufen?« Whitney schüttelte den Kopf. »Wo wohnt deine Familie? Kann ich deiner Mutter eine Nachricht zukommen lassen?« Wieder nur ein Kopfschütteln.
Frau Dr. September nahm Clare am Arm und führte sie zur Tür. »Es ist zwecklos. Ich bekomme
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