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Blutsbraeute

Blutsbraeute

Titel: Blutsbraeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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immer häufiger solche ›Unfälle‹ zu sehen. Sie wird keine Anzeige erstatten. Ich bin mir sicher, sie hat schreckliche Angst davor, dass diejenigen, die ihr das angetan haben, das auch mit ihrer Mutter oder ihrer kleinen Schwester machen. Oder noch einmal mit ihr. Das haben diese Männer ihr bestimmt angedroht.« Frau Dr. September sprach leiser. »Wir haben alle Proben und Abstriche zum Analysieren gesammelt. Wenn also ein Wunder geschieht und sie doch Anzeige erstattet, haben wir Beweismaterial.«

    Â»Ich komme morgen früh wieder und sehe nach ihr«, sagte Clare. »Danke, Frau Doktor.«
    Â»Ihr Körper wird heilen, sie ist jung. Bei allem anderen bin ich mir nicht so sicher«, sagte die Ärztin und schaute zu Whitney zurück.
    Clare legte das klägliche Kleiderhäufchen zusammen, den billigen Rock, das zerrissene Sweatshirt mit dem witzigen Comic-Aufdruck. Dann hängte sie ihren Mantel auf, mit dem sie Whitney im Auto zugedeckt hatte. Ein kleiner, kreuzförmiger Ohrring fiel zu Boden. Sie hob ihn auf und griff in ihre Jeanstasche. Die Ohrringe passten perfekt zusammen. Sie steckte sie ein, ging aus dem Behandlungszimmer und verließ das Krankenhaus. Als sie im Auto saß, klappte sie ihr Handy auf. Riedwaan meldete sich. Er hatte nicht geschlafen, und in seiner Stimme schwang ein scharfer Unterton mit.
    Â»Ich habe sie gefunden«, sagte sie.
    Â»Wo?«, fragte Riedwaan.
    Â»Sie hatte sich in einem Container auf einer Baustelle in der Glengariff Road versteckt. Ich habe sie ins City Park gebracht.«
    Â»Und woher wusstest du, dass sie dort ist?«, fragte Riedwaan.
    Â»Giscard hat sie bei ihrer Flucht gesehen und ist ihr gefolgt. Er hat es mir gesagt.«
    Â»Und du bist nicht auf die Idee gekommen, mich anzurufen?«, fragte Riedwaan. Das Schweigen zwischen ihnen war angespannt.
    Â»Ich habe gedacht, es ist besser, wenn eine Frau sie holt«, sagte Clare schließlich.
    Â»Hat sie dir gesagt, was passiert ist?«

    Â»Kein Wort«, sagte Clare, »aber ich habe einen Ohrring von ihr. Er passt zu dem, den ich in dem Zimmer gefunden habe.«
    Â»Keine Chance, dass sie Anzeige erstattet?«
    Â»Ich bezweifle, dass sie es macht. Aber die Ärztin ist gut und umsichtig. Sie hat das Beweismaterial gesammelt und bewahrt es auf.«
    Â»Warum werden Schweine wie Kenny bloß aus dem Gefängnis entlassen?« Clare hörte den Zorn in Riedwaans Stimme.
    Â»Was hat er für eine Vorgeschichte?«, fragte Clare.
    Â»Kenny McKenzie?«, sagte Riedwaan. »Kenny hat vor Jahren für Kelvin Landman gearbeitet, als beide noch in den Cape Flats lebten. Er ist vor kurzem aus Pollsmoor entlassen worden, wo er in einer Number Gang sehr aktiv und auf dem Weg nach oben war. Er ist ein Achtundzwanziger mit hohem Rang. Sein Bewährungshelfer hat dennoch gesagt, Kenny habe das Resozialisierungsprogramm durchlaufen und sei jetzt ein nützliches Mitglied unserer Gesellschaft. Dabei weiß jeder, dass man aus einer Number Gang nicht austreten kann. Wer es versucht, wird liquidiert. Und Kenny denkt nicht einmal daran, es zu versuchen. Du hast doch seine Tätowierung gesehen. Auf seinem Unterarm ist eine große 28.«
    Â»Glaubst du, dass er wieder für Landman arbeitet?«, fragte Clare.
    Â»Schwer zu sagen. Landman scheint so sauber geworden zu sein, dass es nicht verwunderlich wäre, wenn er bei der nächsten Parlamentswahl kandidieren würde.« Riedwaan machte eine Pause. »Fährst du jetzt nach Hause?«

    Â»Ich hatte es vor. Soll ich vorbeikommen?« Clares Stimme klang zögernd.
    Riedwaan wusste, dass es Clare einige Überwindung gekostet haben musste, ihm diese Frage zu stellen. »Ich glaube, ich muss jetzt schlafen, Clare.« Er hörte, dass sie die Luft einzog, und fühlte sich stark, weil er sie verletzt hatte, aber nur so lange, bis sie das Handy zuklappte. »Scheißkerl«, verfluchte er sich selbst, während er nach dem Whiskeyglas griff. Morgen würde er sich beschissen fühlen. Na und? Das war nichts Neues.
    Clare blinzelte, weinte aber nicht, und fuhr nach Haus. Sie war zu erschöpft, sich auszuziehen, streifte deshalb nur die Schuhe ab und fiel ins Bett. Die Decke war tröstlich, aber es dauerte lange, bis der Schlaf kam. Als sie endlich einschlief, träumte sie von dem zusammengeschlagenen Mädchen.

26
    Das Telefon klingelte bösartig. Clare nahm den Hörer ab.

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