Blutsbraeute
das Weinen gehört. Ich habe hineingeschaut. Madame!« Giscards Stimme war leise und drängend. »Madame, dort liegt ein Mädchen, ein sehr junges Mädchen. Ich habe Angst um sie. Ich glaube, sie hat groÃe Schmerzen. Sie müssen sie dort herausholen. Sie sieht sehr, sehr schlimm aus. Ihre Hand blutet. Ihr Gesicht ist oft geschlagen worden.«
»Wo ist sie?«, fragte Clare. »Können Sie mich hinbringen?«
»Nein, Madame. Ich kann nicht! Aber gehen Sie hin, bitte. Nehmen Sie ein paar Männer mit.« Er gab ihr wieder einen Fetzen Papier. Sie kannte die Adresse, die darauf stand. Ein Wohnblock namens San Marina Mansions an einem berüchtigten Stück der Main Road von Sea Point. »Bitte, Madame, mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Können Sie jetzt noch hingehen? Können Sie das Mädchen heute Nacht noch holen?« DrauÃen hielt ein Auto. Clare ging ans Fenster, um nachzuschauen, wer es war. Sie drehte sich um, eine Frage auf den Lippen, aber die Wohnwagentür war offen, und von Giscard nichts mehr zu sehen.
Joe Zulu kam herein. »Wer war der Typ, der da gerade abgehauen ist?«, fragte Joe und stellte Clare einen Becher Kaffee hin. Clare antwortete nicht. Sie tippte eine Nummer in ihr Handy ein.
»Geh ran«, beschwor sie ihn in Gedanken. Es funktionierte. »Riedwaan, ich binâs, Clare. Mir ist eben eine Entführung gemeldet worden. Kannst du kommen?« Sie schloss die Augen, flehte ihn an zu kommen. Sie stellte sich ihn im Bett vor, sah sich selbst vor sich, wie sie ihm mit der Hand über die haarlose, braune Brust fuhr.
»Clare!« Seine Stimme klang gereizt. »Wo, hab ich dich gefragt.«
»Einer dieser Wohnblocks in der Main Road. Ich glaube, wir müssen da heute Nacht noch hin.« Riedwaans Zögern war mit Händen zu greifen. Clare glaubte, sie höre eine zweite Stimme fragen, wer das sei und warum so spät?
»Okay«, sagte er. »Ich hole dich und Joe vom Revier ab.« Sein Handy ging aus.
»Was ist denn los, Clare?«
»Riedwaan holt uns ab, um wegen einer Misshandlung zu ermitteln. Sieht nach einer Entführung aus. Jemand kam rein und hat es gemeldet, während Sie weg waren.«
Joe verschränkte die Arme. »Sie glauben nicht, dass es eine Falle ist?«
»Wieso?«, fragte Clare. »Warum sollte ein Illegaler das Risiko eingehen, in ein Polizeirevier zu gehen?«
»Wer weiÃ? Um einem anderen Ãrger zu machen. Oder weil er dafür bezahlt worden ist«, sagte Joe. »Ich frage mich, wie er an der Wache am Tor vorbeigekommen ist.«
»Joe, an diesen Wachposten könnte man nach zehn mit einem Panzer vorbeifahren, ohne dass sie aufwachen.«
Clare holte ihr Auto, das auf dem Parkplatz stand, fuhr vor den Wohnwagen und schaltete gerade die Heizung ein, als Riedwaan ankam. Er trat an ihr Fenster und streckte die Hand aus. Sie gab ihm den Papierfetzen mit der Adresse.
»Ich hoffe, du weiÃt, was du tust, Clare«, sagte er. »Wer hat dir das gegeben?«
»Er hat gesagt, sein Name sei Giscard. Ein Kongolese.«
Joe Zulu kam aus dem Wohnwagen. »Hey, Riedwaan. Fahren wir?« Die beiden stiegen in Riedwaans Auto, und Clare fuhr ihnen nach. Um halb eins stellten sich nur noch die verzweifeltesten Frauen in hochhackigen Schuhen am StraÃenrand zur Schau, die knochigen Schenkel blau gefroren.
Riedwaan und Joe parkten in der Nähe des Wohnblocks, zu dem sie wollten, und warteten auf Clare. Die drei suchten sich einen Weg zwischen den schlafenden StraÃenkindern hindurch. Eine junge Somalierin, die ihr Gesicht mit einem bunten Schal verhüllt hatte, atmete erleichtert auf, als sie an ihr vorbeigingen.
Riedwaan nahm zwei Stufen auf einmal, und Clare hielt mit, während Joe, der immer noch mindestens zwanzig Zigaretten am Tag rauchte, hinter ihnen herkeuchte.
Im dritten Stock warf Riedwaan einen Blick auf den Fetzen, den Clare ihm gegeben hatte, und hielt Ausschau nach Wohnung Nummer vier. Die Türen waren nicht beschildert, also zählte er sie ab. Die Tür, an die er klopfte, ging auf, als wären sie erwartet worden. Der Mann, der aufmachte, war tätowiert und trug ein enges T-Shirt.
»Womit kann ich den Herren dienen?« Er grinste Clare an. »Der Dame?«
»Lass uns rein, Kenny«, sagte Riedwaan und baute sich vor dem Mann auf. Kenny trat nur ein kleines Stück beiseite, um sie hereinzulassen. Sein nackter Arm streifte Clare. Ein
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