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Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Titel: Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Haffner
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Rechtskraft.
    Cliquentaufe? Held Walter fragt lüstern. Wenn auch Willi die Lehrlingszeit, die ihn zum Schuhputzer aller degradiert hätte, erspart bleibt, die Taufe bleibt keinem erspart. Jeder muß sie über sich ergehen lassen. Und wenn er die Taufe, die zugleich das Gesellenstück darstellt, einmal nicht bestanden hat, dann wieder und wieder, bis es klappt. Ohne bestandene Taufe bleibt jeder unwürdig, der Clique als dauerndes Mitglied anzugehören. Die Taufe bei den Blutsbrüdern besteht in der Aufgabe, im Laufe einer Stunde viermal den Koitus bis zum Orgasmus zu vollziehen, und zwar im Beisein der ganzen Clique und eventueller geladener Gäste. Aber wegen Willis Krankheit wird die Taufe verschoben, bis der Arzt ihn gesund geschrieben hat.
    Abends. Die Clique sitzt beim Kellnermax in der Linienstraße. Ludwig und Willi müssen gleich kommen. Jonny teilt die Jungens in drei Gruppen ein, die morgen in einem Warenhaus des Ostens zu arbeiten haben. Morgen ist Monatsende und in den Geschäften und Warenhäusern Hochbetrieb. Beste Gelegenheit zu Taschendiebstählen. Der Anführer der dreiköpfigen Gruppe zieht das Portemonnaie, gibt es sofort weiter an den zweiten Mann, der es dann dem dritten Jungen zusteckt. So arbeiten im Hause verteilt drei Gruppen. So arbeitet die Clique schon seit Monaten. In Warenhäusern, auf Wochenmärkten und in den Markthallen.
    Meistens müssen die mageren Geldbörsen der Proletarierfrauen dran glauben. Man braucht nur hineinzugreifen in dieEinkaufsnetze, in die Körbe und Taschen. Schön obenauf liegt das Geld. Die Unterstützungskröten, der Wochenlohn, das ganze Monatsgehalt. Auf die Idee der Taschendiebstähle hat Fred die Clique gebracht. Die Idee hat sich als so gut erwiesen, daß alle stets mit Geld versehen sind. Solange Ludwig im Gefängnis war, ging alles gut. Am Tage, wo Ludwig sich wieder einfand, gab Jonny den strengen Befehl, vorläufig dem Ludwig die Herkunft der Geldmittel zu verschweigen. Jonny hatte Ludwig im Verdacht, daß er nicht so ohne weiteres mitmachen würde. Er wollte ihn erst herumkriegen. Ihn füttern mit Geld, um dann, wenn Ludwig zurückschrecken würde, zu sagen: Was willst du denn? Du hast doch das viele Geld von uns genommen! Daß wir es nicht in der Lotterie gewonnen haben, hast du dir doch wohl denken können. Also, nun sei nicht dumm und mach mit.
    Willi kommt in das Lokal. Aufgeregt, ohne Ludwig: „Ihr sollt alle rumkommen zu Schmidt, Ludwig wartet da. Er hat den Gauner, der ihm den Gepäckschein angedreht hat!“ Ei verflucht! Die Aufregung. Schnell zu Schmidt. In Gruppen, unauffällig gehen sie. Ludwig sitzt an einem Tisch bei der Musik. Jonny, Willi und Fred setzen sich zu ihm, die anderen bleiben in Türnähe. Falls der Junge flitzen will … Da hinten sitzt er, mit einem Mädel. Ein Bengel von zwanzig Jahren, forscher Sportanzug, feiner Mantel, tipptopp. „Ist er es auch bestimmt, Ludwig?“ fragt Jonny. „Gar keine Frage!“ Jonny geht an den Tisch. In seiner kurzen, bestimmten Art fordert er den Eleganten auf, mit nach hinten zu kommen.
    In einer Ecke deutet Jonny auf Ludwig, der hinzugekommen ist. „Hier, meinen Kollegen kennst du wohl noch, was?“ „Wat wollt ihr eigentlich? Ich kenn keinen von euch!“ antwortet der Fremde. Jetzt hat Ludwig auch seine Stimme wiedererkannt. „Du kennst mich nicht mehr? … Stettiner Bahnhof … Gepäckschein …“, sagt Ludwig langsam. Der Elegante wird rot und blaß, dann sucht er sein Heil in der Frechheit: „Ach, du bist der Gauner! Ausgerückt biste mit dem Koffer!“ Jonnys Faust trifft ihn kurz und hart unter dem Kinn. „Nu paß mal auf, mein Lieber. Der hier, mein Freund, hat deinetwegen über acht Wochen in Untersuchung gesessen und hat vier Monate gekriegt. Du kannst dir nun aussuchen, was du willst, entweder wir holen sofort einen Grünen und lassen dich hochgehen, oder aber du kommst hübsch artig mit uns. Die Sache muß doch geregelt werden, nicht?“
    Der Elegante steht klapprig und blaß an der Wand. „Mit euch, wohin?“ „Das soll dir piepe sein. Umbringen werden wir dich nicht. Nu sag mal deiner Kalle da, daß du was zu erledigen hast, und dann komm.“ Der Bursche geht zu dem Mädchen, Jonny und Fred stehen vor der Tür. „Wohin mit ihm, Jonny?“ „In Ullis Laube, Koloniestraße.“ Fred fährt in einer Taxe voraus, um Ulli aufzustöbern. Der Elegante geht zwischen Jonny und Ludwig. Die anderen Blutsbrüder folgen in einigem Abstand.
    Als sie auf dem Laubengelände ankommen,

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