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Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Titel: Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Haffner
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das rohe Fleisch des Gesäßes gelegt, dann wird dem Abgeurteilten die Hose angezogen. Auf dem Bauch liegt er und winselt leise und schwach wie ein kleines Kind. Eine Portion Rum bringt ihn wieder hoch. Jonny spricht ihn an: „Die letzten fünf Schläge sind dir geschenkt. Kannst dich dafür bei Ludwig bedanken. Für uns ist die Sache jetzt erledigt. Wenn du schlau bist, läßt du sie auch für dich erledigt sein. Du weißt, wir habendich immer in der Hand.“
    „Soll er sich denn nich bedanken für die Senge?“ fragt, noch nicht befriedigt, Fred. „Ja, bedanken muß er sich, das ist nicht mehr wie anständig“, fällt auch Ulli ein. Herrmann Plettner muß sich bedanken. Er humpelt zu Ulli: „Ich … danke.“ „Nee, mein Junge. Du mußt sagen: Ich danke auch schön für die Prügel.“ Plettner beginnt wieder: „Ich danke … auch schön für … die … Prügel …“ Fred muß wieder alle übertrumpfen. Er zwingt Plettner, die Peitsche, an der sein Blut klebt, zu küssen. Zwei Jungens nehmen ihn dann in die Mitte und führen ihn auf die Koloniestraße. Sie sehen, wie er sich Schritt für Schritt an Planken und Zäunen entlangtastet … Das Cliquengericht hat die gemeine Tat blutig gerächt. — —



Jonny hat Ludwig und Willi allein vorgenommen. „Heute nachmittag gehen wir arbeiten. Ihr sollt erst mal zusehen, wie wir es machen. Du, Ludwig, gehst mit der Gruppe Fred, und du, Willi, kommst mit mir. Nur zusehen sollt ihr heute, aufpassen und lernen.“ Nun endlich weiß Ludwig, wo das Geld herkommt. Taschendiebstähle! Ludwig hat keine Gelegenheit mehr, mit Willi allein zu sprechen. Beide schweigen zu Jonnys Eröffnungen. Heute haben sie ja nur passive Rollen. Zu den Diebstählen selbst werden sie sich nicht hergeben. Jeder denkt es für sich und will mit dem anderen reden.
    Schon am Alexanderplatz trennt sich die Clique auf dem Wege nach dem Osten. Jeder geht für sich. Ludwig folgt Fred, Willi geht hinter Jonny. Die Gruppe Fred arbeitet im Parterre des Warenhauses, Gruppe Jonny in der Lebensmittelabteilung, und Konrad und Hans arbeiten in den Fahrstühlen. Ludwig sieht, wie Fred sich an einen Restestand drängt, der von Frauen umlagert ist. Die beiden anderen drängen nach, Fred wird an die Frauen gedrückt. Diese Sekunden nutzt Fred aus. Seine Hand gleitet in eine Wachstucheinkaufstasche. Eine kleine Geldbörse wandert von Fred blitzschnell in Georgs Hand, von Georg sofort zu Erwin. Fred geht weiter. Auch Georg, auch Erwin.
    Das sanfte Anrucken des Fahrstuhles läßt Konrad auf eine Frau fallen. Er entschuldigt sich. Seine Hand gibt hinter dem Rücken ein kleines Täschchen weiter …
    Jonny drängt sich an einen Stand, wo gefrorene Gänse verkauft werden. Ein unheimliches Drängen und Schiebenwegen der billigen Ware. Die Augen der Käuferinnen sind ganz bei den Gänsen, eine Hand prüft die Qualität. Eingekeilt hängen die Taschen und Netze. Kinderspiel, denkt Jonny und gibt ein Portemonnaie weiter. — Nach jedem Griff hat jede Gruppe sofort in eine andere Abteilung des Warenhauses zu gehen. Eine Stunde nur soll im Haus gearbeitet werden. Dann hat jeder den Weg zum Cliquenvater in der Badstraße anzutreten.
    Die Clique sitzt in dem fensterlosen Hinterzimmer und sortiert die Beute. Fünf Geldbörsen, drei kleine Geldscheintäschchen, sie werden sofort verbrannt. In einer Tasche eine fette Beute: vier Fünfzig-Mark-Scheine, in den beiden anderen Taschen zusammen neunzig Mark. Die fünf Geldbörsen enthalten zusammen hundertacht Mark und vierzig Pfennig. Briefmarken, Pfandscheine und andere Papiere werden ebenfalls verbrannt. Die Beute einer Stunde: dreihundertachtundneunzig Mark und vierzig Pfennig! Ludwig und Willi sitzen starr. Ihre Gesichter bemühen sich krampfhaft, Freude auszudrücken wie die der anderen. Aber Angst, Entsetzen liegt in den Augen. „Na, Ludwig und Willi? Einfache Chose, nich?“ fragt Fred, „Wenn ich nich wäre, säßet ihr heute noch ausgemistet da!“ brüstet er sich. Gotthelf bekommt seinen Anteil an der Beute: zwanzig Mark. Jeder Junge erhält dreißig Mark. Den Rest verwaltet Fred, der Kassierer. Ludwig und Willi stecken das Geld ein. Würden sie es zurückweisen, wäre es glatter Verrat und das Schicksal Herrmann Plettners wäre ihnen sicher.
    Um zehn Uhr abends wollen sich alle im Auto-Topp wiedertreffen. Auch Anneliese wird da sein, dann kann es wieder ein vergnügter Abend werden. Bis dahin mag jeder tun, wozu er Lust hat. Geld hat ja jeder.
    Ludwig und Willi setzen

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