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Blutsbrüder

Blutsbrüder

Titel: Blutsbrüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Antifa-Arbeit angefangen haben: Wenn die Nachtwachen da gewesen sind, kamen keine Nazis.«
    Je länger er redet, desto beschwörender klingt seine Stimme. Er spricht davon, dass man nicht einfach aufgeben dürfe, nicht resignieren könn e – »gerade hier, denn schließlich leben wir doch hier, in unserem Viertel!«
    Zum Schluss sagt Hakan: »Wenn’s nur genügend Patrouillen gäbe. Dan n …«
    In dem Moment fällt Cora ihm ins Wort. »Pass mal auf«, sagt sie und löst sich aus Marvins Umarmung, der während der Rede von Hakan unbehaglich auf seine Schuhspitzen gestarrt hat. »Natürlich hast du in vielem Recht: Es ist nicht richtig, was Ömer mit Alina da auf der Rutsche angestellt hat. Aber wir wissen alle, was Ömer für ein Typ ist. Und natürlich ist es scheiße, was mit Alinas Schwester passiert ist. Und natürlich stimmt es, dass einem so was eher mit türkischen oder arabischen Jungs passiert, weil die in dem Alter eben so bescheuert sind!« Je länger Cora redet, desto erhitzter wirkt sie. »Und natürlich war’s kein Spaß, von einem Stein am Kopf getroffen zu werden. Ist ja logisch, oder?« Zornig wie sonst selten schaut sie sich im Kreis der Freunde um. »Nur bin ich kein Soldat! Keine Milizangehörige! Patrouille, das ist das Stichwort. Ich bin doch nicht die Polizei! Oder eine Bürgerwehr! Auch nicht die Security in einem Schwimmbad. Schlimm genug, dass es die überhaupt gibt. Früher, das sagt meine Mutter, gab’s da zwei, drei Bademeiste r – und fertig, aus, Schluss! Und jetzt soll’s auch noch uns geben? Wozu? Als Polizeiersatz? Ja, ich hab dir zugestimmt, als du die Probleme beschrieben hast, die gerade wir, als Mädchen oder Frauen, mit diesen Jungs andauernd habe n – bloß deine Gegenmaßnahmen, Hakan, die taugen nix. Tut mir leid, das zu sagen, aber so ist es nun mal.«
    Sie steht von ihrer Bank auf und tritt auf Hakan zu. Als sie kurz zögert, fragt er: »Und was willst du jetzt machen?« Seine Stimme klingt mutlos. Fast verloren, denkt Darius, so hab ich ihn noch nie erlebt.
    »Na ja«, fährt Cora fort. Das Unbehagen, das sie empfindet, ist ihr anzusehen. »Wir haben uns noch bei dem Austausch angemeldet, für Frankreich: Marvin, ic h – und Simon, der ist krank. Also, erst mal machen wir nichts mehr. Stimmt vielleicht, was du sagst: Wir geben auf. Und weißt du, was ich inzwischen denke: Wegziehen aus dem Viertel, das ist auch eine Lösung. Sollen die Idioten sich doch gegenseitig in die Fresse schlagen. Oder sich gegenseitig umbringen. Dann sind es ein paar weniger. Na und?«
    Hakan, der den Blick gesenkt hält, während Cora auf ihn einredet, hebt jetzt den Kopf. Darius erkennt in seinen Augen eine Fassungslosigkeit, die er vorher nie an ihm bemerkt hat. Hakan fällt keine Erwiderung ein. Kurz schaut er hinüber zu Alina, streift Darius mit einem Blick, dann senkt er den Kopf und betrachtet stumm die Spitzen seiner staubigen Turnschuhe.
    Cora zieht Marvin, der verlegen die Schultern zuckt, von der Bank hoch, packt ihn bei der Hand und murmelt: »Und danach gehen wir vielleicht zur, na ja, Schülerzeitung.« Das dunkle Haar weht ihr ins Gesicht. »Oder machen bei Greenpeace mit, mal sehen. Weniger spektakulär, das stimmt. Aber das hier ist ehrlich gesagt eine Schwachsinnsidee.«
    Nachdem sich einige Sekunden niemand geregt hat, gibt sich Hakan einen Ruck. Seine Fassungslosigkeit weicht einer offenbar wachsenden Wut.
    »Gut.« Noch einmal wendet er sich an Cora. »Ich habe dich also verstanden: Du siehst, wie die Dinge laufen, aber du willst nichts dagegen tun.«
    »Quatsch«, erwidert Cora. »Du verdrehst mir die Wort e – wir können auf diese Weise nichts, aber auch gar nichts ausrichten. Außer, dass wir vielleicht alles noch schlimmer machen.«
    Bis sie hinter den Büschen verschwindet, guckt sie sich nicht mehr um. Nur Marvin dreht sich noch einmal Hakan zu, hebt entschuldigend die Arme, scheint etwas sagen zu wollen, betrachtet Alina, findet keine Worte und geht ebenfalls.
    »Idioten!«, faucht Hakan hinter ihnen her. Dann schlägt er mit einem Stock nach einer Brennnessel und schleudert ihn danach über die Friedhofsmauer.
    Einen Moment ist es still, bis auf das Summen der Fliegen. Alina kickt einen Stein von der Bank, auf deren Lehne sie in sich zusammengesunken hockt, und nuschelt ohne Überzeugung: »Reisende soll man nicht aufhalten.«
    Nachdenklich reibt sich Hakan das Kinn, fährt sich mit den Fingern durch sein schwarzes, glänzendes Haar, das er zu einem kurzen

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