Blutschande
Rückbank vollpinkelten oder sich darauf erbrachen.
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Per Roland genoss die Aussicht über den Øresund. Man sollte am Meer wohnen, dachte er und studierte die fantastischen Wolkenformationen, die in einem seltsamen Dunkelviolett zu glühen schienen. Obwohl sich kein Lüftchen regte, war Bewegung am Himmel. Nicht in den Wolken selbst, sondern in dem dicken Dunst, der wie mit dem Pinsel in Lila und Orange über der kleinen Stadt am Meer hingemalt war.
Espergærde. Per Roland hatte nachgeschlagen, bevor er losgefahren war. Das machte er immer so. Eigentlich brauchte er dieses Hintergrundwissen nicht, aber es gefiel ihm, vorbereitet zu sein und zu wissen, was für eine Stadt er besuchte. Laut dänischem Wörterbuch bedeutete der Name so etwas wie »eingezäunte Espenlichtung«. Die kleine Stadt war aus einer Fischersiedlung hervorgegangen.
Per Roland hatte Cecilies Eltern angerufen und sie auf sein Kommen vorbereitet. Die Mutter hatte ihm höflich und entgegenkommend zugehört, und nun auf der Fahrt überlegte er, wie er am besten mit dem Elternpaar umgehen sollte. Sie waren wohlhabend, daran gab es keinen Zweifel, und überdies waren sie es gewohnt, mit Respekt behandelt zu werden. Per Roland hatte mit Liv und Max gesprochen, bevor er im Präsidium aufgebrochen war. Er hoffte inständig, dass das Verhör von Schultheiss Früchte trug und er das Mädchen bald wieder zurück zu seinen armen Eltern bringen konnte.
Er grinste innerlich, als er sah, dass in dieser Stadt sogar die Kirche, die pittoresk zwischen großen Bäumen lag, Meerblick hatte. Dann folgten auf seinem Weg der Hafen und der öffentliche Strand, bevor er nach links in den Gammel Strandvej einbiegen musste. An dieser Stelle fiel ihm auf, dass viele der kleinen Boote noch immer nicht für den Winter an Land geholt worden waren. Per Roland träumte davon, nach seiner Pensionierung einen Segeltörn zu machen. Dann wollte er sich ein dickes Boot kaufen und die Welt umsegeln. Na ja, vielleicht nicht die ganze Welt, und so dick würde das Boot vermutlich auch nicht werden – außer er verkaufte seine Wohnung!
Junge-Larsens’ Haus erwies sich als eine stilvolle Steinvilla mit Privatstrand, die etwas zurückgezogen hinter einer hohen Mauer und alten Bäumen am Meer lag. Das Tor stand offen, so dass Per Roland auf den Platz vor der Garage fuhr, der etwa die Größe des Reihenhäuschens hatte, in dem Cynthia und er gewohnt hatten. Als er ausstieg, fiel ihm ein gläserner Anbau mit einem gigantischen Pool auf, in dem man mit Blick auf den Øresund baden konnte.
Not bad , dachte Per Roland für sich. Not bad at all .
Junge-Larsen stand in schönen kursiven Buchstaben auf dem Türschild. Er klingelte, und während er wartete, war er plötzlich froh über seinen Entschluss, selbst mit den Eltern zu reden. Es tat mitunter gut, sich persönlich bei den Ermittlungen einzubringen und die konkrete Polizeiarbeit zu schmecken. Außerdem waren die Eltern in diesem Fall die wichtigsten Zeugen. Nur sie wussten, was das Mädchen in der letzten Zeit gemacht hatte und zu wem sie Kontakt hatte. Nur sie konnten ihm einen Eindruck davon vermitteln, wer Cecilie war.
Die Frau, die ihm die Tür öffnete, hatte geweint, trotzdem wirkte sie wie eine moderne Frau, der es wichtig war, sich fit zu halten. Vermutlich hatte sie aber auch reichlich Zeit, im Pool schwimmen zu gehen, schließlich arbeitete sie nicht. Und Cecilie war inzwischen ja ein großes Mädchen.
Wieder fiel ihm auf, wie seltsam es war, dass Mädchen so selten ihren Müttern ähnelten. Roland dachte an seine Tochter Christina, die zu seiner großen Verärgerung all das Unschöne von ihm geerbt hatte, statt nach ihrer bildschönen, aristokratischen Mutter zu schlagen. Seine breite Nase und die kräftigen Augenbrauen, zum Beispiel. Dabei schien es hier genau umgekehrt zu sein, denn während Cecilies Mutter recht grob und kräftig gebaut war und dunkle Haare hatte, zeigten die Bilder ihrer Tochter ein feingliedriges, blondes Mädchen.
»Anne Grethe Junge-Larsen?« Er hielt ihr seinen Ausweis hin. »Per Roland von der Polizei. Wir haben telefoniert.«
Sie gingen in ein Wohnzimmer im ersten Stock, von dem aus man Aussicht auf den Øresund und das in der Ferne liegende Hven hatte, während etwas seitlich auch noch der gläserne Pool zu sehen war. Am Himmel schien das Orange jetzt das Violett zu verdrängen.
Roland setzte sich gegenüber von Anne Grethe Junge-Larsen auf das weiße Sofa. Er holte tief Luft und sagte
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