Blutschande
Anführungszeichen zu markieren. Dann fuhr er fort:
»Wir müssen sie einfach aus diesem beschissenen Scheißklo rausholen, okay? Und sie zurück zu ihren Eltern bringen.«
Liv lachte. Sie kannte ihren Partner und wusste, welchen Spaß es ihm machte, mit Fäkalsprache zu provozieren.
»Verstanden.«
Sie legte zwei Finger an die Schläfe und grüßte militärisch.
Ole hatte recht. Es würde ihnen allen ein Riesenstein vom Herzen fallen, wenn sie das Mädchen zu seinen Eltern zurückbringen könnten. Der Tag war für alle im Dezernat eine große Belastung gewesen. Jeder wusste, dass die ersten fünf, sechs Stunden nach dem Verschwinden eines Kindes die wichtigsten waren, wollte man es lebend finden. Inzwischen waren aber bereits 25 Stunden vergangen, seit der elfjährige Kinderstar Cecilie Junge-Larsen sein Elternhaus im noblen Strandvej in Espergærde verlassen hatte. Das Mädchen hatte seiner Mutter zugewinkt und war mit dem Fahrrad zur Schule gefahren, wo es allerdings nie angekommen war. Seither war Cecilie von niemandem mehr gesehen worden. Auch die Ermittlungen hatten nicht eine einzige Spur zutage gefördert, obwohl sie die ganze Nacht durchgearbeitet hatten. Der Anruf von der Fähre war ihr erster konkreter Hinweis gewesen, vielleicht der Lichtblick, auf den alle warteten.
Der Wagen fuhr am Bahnhof vorbei, der Endstation der Küstenlinie, die inzwischen mit einem langen Glasarm mit dem Fährterminal verbunden war. Liv erinnerte sich noch an das alte Fährterminal, den halbrunden Bau mit den gewaltigen Glaspartien zum Wasser hin und dem kupferbeschlagenen, runden Dach. Mit kindlicher Fantasie hatte sie darin immer einen Teil eines Schiffes gesehen. Leider war dieses Terminal Mitte der 90er Jahre abgerissen worden, nachdem es vom Segelschulschiff Danmark torpediert worden war. Dieses Terminal war wirklich noch etwas Besonderes gewesen.
Als Liv und Ole an Bord der kleinen Schnellfähre waren, gingen sie gleich ins Restaurant »Horizon« in der zweiten Etage. Liv bestellte eine Tasse Kaffee, während Ole sich einen Hotdog mit allem machen ließ.
»Haben wir nicht, ich kann Ihnen aber einen Grab & Go anbieten«, sagte das blonde Mädchen hinter den Glasregalen.
Ole sah sie verständnislos an.
»Das ist ein Croissant oder ein Brötchen mit Schinken und Käse oder ein Vollkornbrötchen mit Käse, und dazu gibt es dann noch einen Saft, einen Joghurt oder ein Stück Obst Ihrer Wahl.«
Ole nörgelte, dass man nicht einmal mehr etwas derart Normales wie einen Hotdog mit allem bekommen konnte und begnügte sich dann mit einem Kaffee, der aber auch wie gewohnt abscheulich schmeckte.
Die ganze Nacht hindurch hatten sie sich mit Kaffee und kalter Pizza wach gehalten, so dass ein wenig zusätzliches Koffein nicht schaden konnte. Liv war überzeugt, dass auch ihr Körper dieser Meinung war, als sie die Wirkung langsam zu spüren begann. Sie dachte an ihre Töchter, die die letzte Nacht bei ihrem Vater verbracht hatten, und fragte sich, ob die jüngste wohl ihr Kaninchen mit in die Kinderkrippe genommen hatte.
»Daran ist nur diese verfluchte Øresundbrücke schuld«, fuhr Ole mit seinem Monolog fort. »Hätten sie die nicht gebaut, würde Helsingør sich noch immer an den alkoholisierten Nachbarn von drüben eine goldene Nase verdienen. Dann würde es hier nur so wimmeln von rauchenden, stockbesoffenen Schweden, und dann gäb es hier auch noch Würstchen, und das rund um die Uhr. Das ist echt schade, weißt du. Da ist eine ganze Kultur untergegangen.«
Im gleichen Moment signalisierte das Tuten der Fähre die baldige Ankunft in Helsingborg, und Liv ging erleichtert zum Ausgang. Sie mochte Ole, nicht aber seine Monologe.
Im Hafen von Helsingborg lag die Scandlines-Fähre Hamlet , vor ihr auf dem Kai parkten vier schwedische Polizeiwagen. Das ganze Gelände war abgesperrt, und Beamte rannten herum und vertrieben die Schaulustigen, die die Hälse reckten, um einen Blick zu erhaschen.
Liv betrachtete die Szenerie und drehte eine nicht angezündete Zigarette zwischen den Fingern hin und her.
»Hm«, sagte sie.
Ole sah sie an.
»Irgendeine Vorahnung?«, fragte er.
Liv steckte sich die Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie an.
»Etwas in der Richtung.«
»Deine Vorahnungen machen mich immer irgendwie nervös.«
»Warum das denn?«
»Weil sie Unglück bringen. Und nimm die Kippe aus dem Mund, du bist hier in Schweden. Hier darf man so gut wie gar nichts.«
»Im Gegensatz zu Dänemark, wo man wirklich
Weitere Kostenlose Bücher