Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
Vom Netzwerk:
Vielleicht verdiene ich das ja, dachte er.
    Verdammter Nate Romanowski, fluchte er in sich hinein. Bei dieser Sache hätte ich wirklich Hilfe brauchen können!
    Er dachte an den Anruf, den Sheridan von April bekommen und von dem sie ihm mit einer Miene berichtet hatte, die ihm beinahe das Herz gebrochen hätte. Dass seine Tochter zu ihm gesagt hatte: »Du musst sie retten, Dad«, zerriss ihn geradezu. Wie Marybeth vertraute auch Sheridan ihm ganz und gar. Allerdings war Marybeth realistischer in ihren Erwartungen. Sheridan war seine Tochter, und sie hatten eine besondere Bindung. Sie war überzeugt, dass er April würde retten können. Er war schließlich ihr Dad. Er schüttelte den Kopf und seufzte. Er hatte sich immer bemüht, ihren Erwartungen gerecht zu werden, doch diesmal war er sich nicht sicher, ob es ihm gelingen würde.
    Vor ihm war eine gedämpfte Stimme zu hören, und Joe kauerte sich in den Schnee. Er war sofort ganz wachsam, rührte sich aber erst, als sein vor Anstrengung pochendes Herz sich beruhigt hatte und sein Atem nicht mehr stoßweise ging. So leise wie möglich öffnete er den Reißverschluss des Parkas und griff in seine Jacke, um die Dienstwaffe, eine .40er Beretta, aus dem Holster zu ziehen. Um möglichst wenig Geräusche zu machen, behielt er die Pistole unter der Jacke, als er eine Patrone in den Lauf gleiten ließ und den Hahn spannte. Dann schob er die Beretta in die Vordertasche seines Parkas,
wo sie leichter zu erreichen war, und erhob sich wieder. Er stopfte seine Fäustlinge in die andere Tasche und trug jetzt nur noch die dünnen Vlieshandschuhe. Wenn die Souveränen ahnen würden, was für ein lausiger Pistolenschütze ich bin, wüssten sie, dass sie nicht das Geringste zu befürchten haben, dachte er.
    Sein Atem stieg in weißen Wolken auf, als er sich dem Lager näherte. Er konnte durch die Bäume Rechtecke aus gelbem Licht erkennen: Fenster. Das Licht war allerdings nicht so hell wie das von Glühlampen. Sie benutzen bestimmt Propanlaternen, dachte er. Dann fiel ihm ein, dass Munker ihnen die Elektrizität hatte abdrehen lassen.
    Als er sich dem Lager weiter näherte, hörte er das Zischen des Propans aus zwei Dutzend Gasflaschen. Er fand eine breite Fichte mit einem V-förmig vom Stamm strebenden Ast, hinter der er sich verbergen konnte. Normalerweise wäre der Ast zu hoch gewesen, um über ihn hinwegzuschauen, doch mit fast einem Meter Schnee unter den Füßen konnte Joe sich gegen den Baum lehnen und durch den Schlitz zwischen Stamm und Ast spähen.
    Vor den Wohnwagen und Wohnmobilen war niemand zu sehen. Er bemerkte die Trampelpfade im Schnee, die die Behausungen verbanden und zu anderen Einrichtungen des Lagers führten. Er vermutete, dass diese Pfade mindestens einen Meter tief waren, vielleicht noch tiefer. Eine Art Hof in der Lagermitte, wo die Propantanks standen, war mehr schlecht als recht freigeschaufelt. Erst nachdem er das Lager einige Zeit gemustert hatte, begriff Joe, dass mindestens ein Motorschlitten neben jeder Behausung wartete – manchmal auch zwei. Viele waren mit Decken oder Planen geschützt (oder getarnt), die wiederum mit mindestens dreißig Zentimeter Neuschnee bedeckt waren. Die Souveränen können also fliehen, wenn es
sein muss, dachte er – selbst unter diesen Wetterbedingungen. Interessant.
    Das metallische Geräusch, mit dem eine Wohnwagentür geöffnet und geschlossen wurde, hallte durchs Lager. Dann hörte Joe Schnee unter Stiefeln knirschen. Ein Mann zog an den schwachen Lichtquadraten vorbei, und Joe erkannte im Profil einen Bart und eine gebrochene Nase. Das war nicht Spud Cargill. Der Mann ging über den Platz in der Lagermitte auf zwei Toiletten zu, die die Forstverwaltung aufgestellt hatte. Kurz darauf kehrte er zu seinem Wohnwagen zurück.
    Gut, dachte Joe. Da müssen alle im Laufe der Nacht mal hin.

    Nach zwei Stunden begann er zu frieren. Trotz der schweren Winterstiefel und zwei Paar Strümpfen wurden ihm die Füße kalt. Er bewegte die Zehen, um die Blutzirkulation anzuregen.
    Zwölf Personen – überwiegend Männer – waren aus den Wohnwagen oder Wohnmobilen gekommen und zur Toilette getrottet. In der nächtlichen Stille hörte er sie husten und furzen. Spud Cargill war nicht darunter. Genauso wenig wie Wade Brockius oder April.

    Dann tauchte sie auf. Joe war trotz der Kälte und seines unbequemen Verstecks fast eingeschlafen. Doch als er eine kleine Frau mit einem noch kleineren blonden Mädchen aus einem Wohnwagen treten

Weitere Kostenlose Bücher