Blutschnee
der beiden winden. Sofort ließen sie ihn los und traten ihn mit schweren Winterstiefeln in die Rippen.
Der erste Tritt erwischte ihn mit voller Wucht, raubte ihm den Atem und ließ ihn sich im Schnee krümmen. Dabei nahm er alles erstaunlich klar wahr. Er wusste, was ringsum geschah, als beobachtete er die Szene aus einigem Abstand, ohne eingreifen zu können. Es hätte ihn nicht allzu sehr erstaunt, wenn einer ihm den kalten Lauf einer Schrotflinte in den Nacken gesetzt und abgedrückt hätte. Seltsamerweise hatte er keine Angst davor. Es schien einfach Teil der Vereinbarung zu sein.
»Aufhören – ich glaube, den kenn ich.« Das war Wade Brockius. Seine Stimme war unverwechselbar.
Joe hörte in ziemlicher Entfernung Schnee knirschen.
Einer der beiden trat ihn erneut, aber nicht mehr so wirkungsvoll.
Joe konnte den Tritt einigermaßen abblocken. »Arschloch«, stieß der Mann hervor.
Joe wälzte sich blinzelnd im Schnee, als Brockius ihm mit einer Taschenlampe ins Gesicht leuchtete.
»Ja, den kenn ich. Das ist der Jagdaufseher.«
»Wir haben ihn am Rand des Lagers erwischt. Er hat sich geduckt und in seinen Sachen rumgekramt, als Clem auf die Lautsprecher geschossen hat.«
Joe merkte plötzlich, dass die Musik weiterhin spielte – inzwischen noch lauter. Und erneut »Danke schön«. Doch diesmal war sie von furchtbaren Schreien begleitet.
Er wollte sich aufsetzen, doch gleich war der furchtbare Kopfschmerz wieder da, und er sank auf den Ellbogen zurück und wartete auf das Nachlassen der plötzlichen Übelkeit. Die andere Hand hielt er abwehrend hoch, da er weitere Tritte fürchtete. Brockius kniete sich hin, schlang den Arm um Joe und half ihm zu dessen Erleichterung, sich aufzurichten. Joes Mund war voller Blut und geschmolzenem Schnee. Er spuckte einen dunklen Fleck zwischen seine Knie.
»Bleibt vorläufig hier, Jungs«, sagte Brockius.
»Müssen Sie sich das jeden Abend anhören?«, fragte Joe und merkte, dass seine Stimme zitterig klang.
»Seit gestern«, erwiderte Brockius. »Ich schätze, Wayne Newton bringt uns nun jeden Abend ein Ständchen.«
»Clem hat die Lautsprecher durchsiebt«, sagte einer der Männer in Weiß, »doch es hat nichts genützt.«
»Wir kappen besser die Leitungen«, meinte der andere.
Brockius nickte geistesabwesend, ohne den Blick von Joe zu wenden.
»Könnte ich reinkommen?«, fragte Joe. »Hier ist es ziemlich kalt.«
Brockius überlegte und schüttelte dann den Kopf.
»Sie sind der Zweite, der mich heute nicht reinbitten will«, sagte Joe nachdenklich. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«
Brockius lächelte ein wenig. »In meinem Wohnwagen gibt es ein paar Dinge, die niemand zu sehen braucht.«
Waffen, dachte Joe. Das Amt für Alkohol, Tabak, Schusswaffen und Sprengstoffe hat schon aus geringfügigerem Anlass Razzien durchgeführt. Oder in seinem Faxgerät steckt ein neuer Stoß Vorladungen und Pfändungsbeschlüsse. Oder beides.
»Was, zum Teufel, tun Sie hier?«, fragte Brockius.
Joe dachte genau nach, ehe er antwortete. Die Männer in Weiß bedrängten ihn weiter und nahmen ihm das Licht.
»Ich wollte mich selbst überzeugen, ob April hier ist und es ihr gutgeht.«
»Sie ist hier. Das hatte ich Ihnen bereits gesagt.«
Joe schaute auf. »Und ich wollte wissen, ob Spud Cargill hier ist.«
Brockius schüttelte fluchend den Kopf. »Warum denken bloß alle, er sei hier oben?«
»Weil eine entsprechende Aussage vorliegt. Und weil es … Ärger geben wird, wenn diese Aussage sich als richtig erweist.«
»Damit kommen wir schon zurecht«, sagte einer der Männer in Weiß.
Der andere lachte.
»Hören Sie«, erklärte Brockius barsch und beugte sich vor. »Ich werde Ihnen die Wahrheit sagen, weil ich Sie hier nie mehr sehen will. Sie hätten leicht getötet werden können.«
»Stimmt«, pflichtete ihm der widerwärtigere Mann in Weiß bei. Erneut kicherte der andere.
»Spud. Cargill. Ist. Nicht. Hier.«
Joe musterte Brockius und blickte in seine ausdrucksstarken Augen.
»Er wollte sich uns gestern Abend anschließen. Ja, er war hier. Ich habe mit ihm geredet und ihn weggeschickt.«
»Warum haben Sie das dem FBI nicht erzählt?«
Brockius verdrehte die Augen und rief: »Ich hab denen doch gesagt, dass er nicht hier ist!«
»Sie haben Ihnen nur nicht geglaubt«, sagte Joe leise.
»Ja, sehr ungewöhnlich für die«, stieß Brockius hervor.
»Wohin ist Spud verschwunden, nachdem Sie ihm gesagt hatten, er soll verschwinden?«
Brockius
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