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Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
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verboten. Joe hatte nicht gewusst, ob er McLanahan dazu würde bringen können, ihn durchzuwinken, und ob er das überhaupt versuchen wollte. Es war klar, dass der Angriff bei diesem Wetter noch mindestens einen Tag auf sich warten lassen würde. Selbst Munker ist nicht ungestüm genug, das Lager im Dunkeln zu attackieren, überlegte Joe. Die Schneeraupen für den nächsten Morgen warteten schon bei McLanahans Straßensperre. Joe hatte sie durchs Fernglas entdeckt – und auch, dass Munker und Portenson sie von Motorschlitten aus inspizierten, die sie sich von der Forstverwaltung geliehen hatten. Daraufhin war er in der Hoffnung,
nicht bemerkt worden zu sein, weitergefahren und hatte die zweite Straße zum Lager hinauf genommen.
    In der Abenddämmerung war er die Timberline Road hinaufgekrochen, bis der Schnee so hoch lag, dass Joe erneut stecken zu bleiben drohte. Statt es im Dunkeln weiter zu probieren, hatte er den Schlitten vom Pick-up geholt und war durch den Wald gerast, durch eine riesige, dunkle Baumwildnis, die Lamar Gardiners Forstverwaltung offiziell gesperrt hatte. Die Fahrt war eine Herausforderung. Keiner war hier vor ihm unterwegs gewesen, und der Neuschnee lag mitunter so hoch, dass sein Fahrzeug nicht mehr weiterkonnte und die hinteren Raupenketten sich festfraßen, statt ihn gleiten zu lassen. Dann hob sich die Schnauze des Schlittens und wies zum Himmel, während das Heck im Pulverschnee versank. Wenn das geschah, bekam Joe einen Adrenalinstoß und warf sich mit kontrollierter Leidenschaft nach vorn oder hinten, um den Schlitten wieder flottzubekommen und dafür zu sorgen, dass die Raupenkette erneut griff und ihn vorwärtstrieb. Er wusste, dass er womöglich nicht lebend davonkam, falls er in so tiefem Schnee bei so niedriger Temperatur strandete. Niemand wusste, wo er war, und die Souveränen erwarteten ihn gewiss nicht.
    Wenn ich stecken bleibe, sagte Joe sich immer wieder wie ein lautloses Mantra, sterbe ich.
    Und er konnte nicht langsamer fahren, denn jedes Mal, wenn er das – manchmal gezwungenermaßen – tat, weil er sich mit seinem einzigen Scheinwerfer einen Weg durch den dichten Wald suchen musste, spürte er, wie der Schlitten einsank und sich im über einen Meter tiefen Pulverschnee festzufressen drohte. Er musste ihn ohne Halt den Hang hinauf und über den Hügelkamm treiben. Also fuhr er viel schneller, als es ihm behagte, ließ den Scheinwerfer stets nach Süden zeigen
und raste mitunter so nah an Bäumen vorbei, dass Borke und Schnee auf ihm niedergingen.
    Wie durch ein Wunder war es ihm gelungen, den Wald zu durchqueren. Doch der Schlitten war sehr laut, und er wollte nicht, dass die Souveränen ihn kommen hörten. Also stellte er ihn kurz vor dem Hügelkamm unter einem Felsvorsprung ab, wo sich nur wenig Schnee gesammelt hatte. Bevor er sich zu Fuß zum Lager aufmachte, füllte er den Tank aus einem Kanister auf. Dann schnallte er sich ovale Schneeschuhe an, ließ den Schlitten zurück und arbeitete sich lautlos Richtung Süden vor.

    Ein dünner Schweißfilm lag zwischen seiner Haut und der Unterwäsche aus Polypropylen. In pulvrigem Tiefschnee mit Schneeschuhen unterwegs zu sein, war harte Arbeit. Um seine Temperatur einigermaßen konstant zu halten, öffnete und schloss Joe immer wieder den Reißverschluss seines Parkas. Die Kälte war kein Problem, solange er sich bewegte, doch wenn er stehen blieb, konnte sie sehr schnell zu einem werden.
    Ein dunkles Wesen vor ihm zwischen den Bäumen, das er mehr spürte als sah, ließ ihn erstarren. Sofort dachte er an seine Waffe, die allerdings sicher unter seinem Parka verwahrt war und sich nicht binnen weniger Sekunden würde ziehen lassen. Er blinzelte angestrengt ins Grau-Schwarz vor sich und nahm eine Bewegung und Schritte wahr. Die Kopfhaut kribbelte ihm unter dem Hut. Dann zog die riesige Elchkuh vor ihm vorbei und stakste mit ihren hohen Läufen, die für diese Witterung ideal waren, anmutig durch den Schnee.
    Er atmete tief aus und entspannte sich. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass er die Luft angehalten hatte.

    Er hatte vor, sich dem Lager weit genug zu nähern, um erkennen zu können, ob Spud Cargill dort war. Er überlegte sogar, an die Tür von Wade Brockius zu klopfen und ihn direkt danach zu fragen. Auch kämpfte er mit sich, ob und wie viel er den Souveränen von dem drohenden Angriff erzählen sollte. Falls er sie warnte und Cargill deswegen entkam, würde Munker ihn ins Gefängnis bringen – das war Joe klar.

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