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Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
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Motorschlitten mit Anhänger war am Heck der Raupe vertäut. Joe atmete Dieseldämpfe ein, sorgte mit einem Handtuch dafür, dass die Fenster nicht beschlugen, und wies an einer Abzweigung schließlich auf den Weg, der von der Landstraße in den Wald führte. Die Gegend wirkte durch den vielen Schnee ganz verändert. In der zweiten Raupe saßen der Sheriff, seine beiden Hilfssheriffs und ein Fotograf der Polizei von Saddlestring. Im dritten Fahrzeug befanden sich Strickland, die attraktive Journalistin, die ihr nicht von der Seite wich, zwei weitere Kriminalpolizisten aus Cheyenne und Melinda Stricklands Hunde.
    Der Himmel war tiefblau, und der gleißende Schnee blendete. Sie wechselten von der Sonne in den Schatten und wieder in die Sonne, als sie sich der Senke des Wolf Mountain näherten. Schneegeister – Kiefern, die so beladen mit Flocken waren, dass sie erfrorenen Gespenstern glichen – standen
Wache, als die drei ramponierten und mitunter stotternden Fahrzeuge unter ihnen dahinfuhren.
    »Er hat sich also Ihre Handschellen geschnappt und Sie ans Lenkrad geschlossen, ja?«, fragte Bob Brazille Joe von hinten. Seine ausladende Daunenjacke war viel zu warm, Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn.
    »Ja«, rief Joe über den Lärm des Motors. Seine Stimme klang ungerührt.
    »So ein Mistkerl aber auch, was?«, meinte Brazille.
    »Hier abbiegen«, sagte Joe zum Fahrer.
    »Das Auftreten dieser Strickland deutet daraufhin, dass die Bundesbehörden äußerst alarmiert sind«, fuhr Brazille trotz des Motorlärms fort. »Gouverneur Budd hat einen Anruf von einem Saubermann aus Washington bekommen. Vermutlich ist Strickland deshalb hier. Die mögen es gar nicht, wenn ein Bundesbeamter umgelegt wird. Der Gouverneur hat besonderes Interesse an Ihnen gezeigt, wurde mir gesagt. Woher kennt er Sie?«
    Joe spürte eine hitzige, verlegene Röte den Hals hochsteigen. »Ich hab ihn vor einigen Jahren festgenommen, weil er ohne Angelschein gefischt hat.«
    Brazille bekam große Augen und schüttelte energisch den Kopf. »Dann sind Sie das, ja? Davon habe ich gehört.«
    Joe nickte und schaute weg.
    Nach einer wortlosen halben Stunde tippte Brazille Joe auf die Schulter.
    »Das Zeitungsmädel neben Strickland sieht gut aus, was?« Joe empfand das ebenso, wollte es Brazille gegenüber aber nicht zugeben. Die Journalistin war groß und dünn und trug schicke Skisachen: eine schwarze, hautenge Steghose, mit Kunstpelz besetzte Stiefel und einen gelben, bauschigen Parka. Sie hatte schwarzes, kurzes Haar, grüne Augen, sehr weiße
Haut und hohe Wangenknochen, und ihre Lippen waren so rot wie nach einem Bienenstich.
    »Wie war ihr Name nochmal?«, fragte Joe.
    »Elle Broxton-Howard«, sagte Brazille mit nachgeäfftem englischem Akzent. »Sie ist Amerikanerin, hat aber fünfzehn Jahre lang in England gelebt. Ein langweiliges britisches Magazin hat sie beauftragt, eine Reportage über Melinda Strickland zu schreiben.«
    »Was ist an der denn so interessant?«, wollte Joe wissen.
    »Das habe ich Elle Broxton-Howard auch gefragt«, gab Brazille zurück und übertrieb es mit dem Akzent noch mehr. »Sie sagt, Strickland leite eine Spezialeinheit, die sich mit der zunehmenden Gewalt gegen Beamte der Forstverwaltung und des US-Landverwaltungsamts durch lokale Hitzköpfe ›hier im amerikanischen Busch‹ befasst, wie sie sich ausdrückte. Melinda sei eine der wenigen Frauen in einem fast ausschließlich männlich dominierten Umfeld und so weiter.«
    Joe wollte Brazille fragen, auf welche »zunehmende Gewalt« er sich bezog, doch der Fahrer schaltete herunter, und nun war der Krach in der Kabine so laut, dass jede Unterhaltung unmöglich war.

    Die Schneeraupe schob sich über den Rand des Höhenzugs, und vor ihnen erstreckte sich die waldige Senke. Das gleißende Weiß schmerzte Joe in den Augen. Der Schnee hatte alles verändert; die gedämpft ineinander übergehenden Grün-, Grau – und Blautöne der Wiesen und Baumkronen waren durch ein schlichtes Schwarz-Weiß ersetzt, als hätte jemand den Kontrastknopf bis zum Anschlag aufgedreht und alle Nuancen getilgt. Es war wärmer geworden, die Sonne lachte, und
ihre Strahlen wurden vom Schnee auf den Lichtungen reflektiert und trafen die Augen wie Nadelstiche.
    Als Nächstes fiel Joe auf, dass auf der Wiese, wo die Wapitis getötet worden waren, etwas nicht stimmte. Das Gelände hätte unberührt sein sollen, war aber von Spuren übersät. Joe tippte dem Fahrer auf die Schulter, bat ihn,

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