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Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
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und Joe und Marybeth tauschten einen Blick. Beide kannten sie Missys dritten Mann nicht näher, doch in letzter Zeit hatte es Gerüchte gegeben, er könnte wegen Betrügereien im Zusammenhang mit Bebauungsplänen angeklagt werden. Missy hatte lediglich gesagt, die anstehenden »Fragen« seien ein Grund gewesen, warum sie in ihre Eigentumswohnung in Jackson Hole hatten reisen wollen.
    »Ich schätze, du hängst bei uns fest«, sagte Sheridan und öffnete die Monopoly-Schachtel.
    Missy tätschelte ihr den Kopf. »Ich genieße es, bei euch zu sein, Herzchen.« Sobald ihre Großmutter wegschaute, verdrehte Sheridan die Augen.

    »Setz dich her, Prinzessin«, sagte Missy gebieterisch zu Lucy, die ihr nur zu gern gehorchte. Sie mochte Lucys Stilempfinden, und Lucy mochte Missys riesige Reisetasche voller Schminke und Haarspray.
    Nach Aprils Protest brachte Sheridan das Monopoly wieder weg und kehrte mit Pictionary zurück. Sie bildeten Mannschaften. Joe landete in Missys Team und gönnte sich vorsichtshalber einen weiteren Bourbon.
    Während der Sand im Minutentakt durch die Uhr lief und der zum Künstler erkorene Spieler hektische Skizzen auf Notizzettel warf, die seine Mannschaftskollegen in den richtigen Begriff übersetzen mussten, beobachtete Joe April unwillkürlich mit besonderer Aufmerksamkeit. Niemand in seiner Gruppe trat entschlossener auf, und sie zeichnete sehr überlegt. Wenn ihre Bilder fertig waren, strahlte sie geradezu vor Freude. Joe hatte schon früher bemerkt, dass April nicht die lebhaften Züge und glänzenden Augen von Sheridan und Lucy besaß. Marybeth hatte gesagt, der Glanz sei April »früh aus dem Leib geprügelt« worden – er entsann sich dieser Formulierung, als er sie nun ansah.
    Nach einer Runde, die Joe und Missy gewannen, weil sie Aprils Zeichnung erkannt hatten, jauchzte das Mädchen und wedelte mit den Armen durch die Luft.
    »Ich finde es toll, dass du normaler wirst«, sagte Lucy zu ihr. »Du bist nicht mehr so komisch.«
    »Lucy!«, sagte Marybeth erschrocken.
    Doch April ging weder in die Luft und schlug um sich noch zog sie sich zurück und starrte ihre Umgebung reglos und verkniffen an, wie sie es früher getan hatte. Vielmehr grinste sie, langte über den Tisch und zauste Lucys Haar. Beide Mädchen lachten.
    Joe hatte den Eindruck, April fühle sich geschmeichelt.
Sheridan strahlte vor Erleichterung, und ihr Blick glitt von der Mutter zum Vater.
    Als Joe in der zweiten Runde mit Zeichnen dran war und Sheridan schon die Sanduhr umdrehen wollte, blickte er plötzlich auf. »Hört mal«, sagte er.
    »Was denn?«, fragte Missy beunruhigt.
    »Hört ihr das?«
    »Ich höre nichts.«
    »Genau«, sagte Joe. »Es stürmt nicht mehr.«
    »Wie schade«, warf Sheridan in die Runde, drehte die Sanduhr um und stellte sie auf den Tisch. »Dabei ist es gerade so schön.«
    »Sherry hat Recht«, sagte Lucy lächelnd und mit großen Augen. »Stürme sind gut für unsere Familie.«
    Auch Joe lächelte, nippte an seinem Bourbon und genoss den Moment, obwohl der Sand unerbittlich durch die Uhr lief. April zupfte ihn mit dringlicher Miene am Ärmel.
    »Zeichne was!«, bat sie. »Die Zeit läuft uns davon!«

5
    Es dauerte zwei Tage, ehe sie in die Berge konnten, und sie brauchten dafür drei geliehene Schneeraupen. Treffpunkt war eine Lichtung außerhalb von Winchester, wo die Straße ins Gebirge anstieg. Das Gefolge war größer, als Joe erwartet hatte.
    Nach der wetterbedingten Verzögerung waren die Männer der Kriminalpolizei von Wyoming mit zwei Passagieren in ihrem Staatsflugzeug auf dem Flughafen des Twelve Sleep County gelandet: mit einer Beamtin der US-Forstverwaltung und einer Journalistin. Die Beamtin hatte zwei kleine Hunde dabei – einen Yorkshire Terrier an der Leine und einen Cockerspaniel, den sie an ihre Brust drückte. Die attraktive, dunkelhaarige Frau in ihrer Begleitung schien alles genau zu beobachten. Eine einsame Reporterin des Saddlestring Roundup – eine dreiundzwanzigjährige Blondine in einer Basketballjacke der Wyoming Cowboys, die einen zehn Jahre alten Pick-up fuhr – näherte sich der Versammlung mit einem Notizbuch, dessen aufgeschlagene Seite leer war.
    Die Beamtin der Forstverwaltung fing die Reporterin ab, und schon begann ein Interview. Joe half derweil einem Hilfssheriff, seinen Motorschlittenanhänger an eine Schneeraupe zu koppeln; dabei stand er nah genug bei den Frauen, um deren Unterhaltung mitzuhören.
    »Ich heiße Melinda Strickland«, sagte die

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