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Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
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Wardells Spuren handelte. Oben auf dem Hügel ragte der abgebrochene Pfosten eines Schildes in den Himmel. Alles war so, wie Wardell es beschrieben hatte.
    Joe schaltete auf Allradantrieb und fuhr in Wardells Spuren den Hügel hinauf. Neben dem abgebrochenen Schild hielt er. Die Breaklands erstreckten sich kilometerweit, bis sie mit den Ausläufern der Bighorns verschmolzen. Das Gelände war trügerisch. Auf den ersten Blick wirkte es flach und öde und erinnerte an Cordfalten. Doch diese Falten verdeckten zerklüftete Verwerfungen und steil abfallende Schluchten, deren Bäche nur bei Regen und während der Schneeschmelze Wasser führten. Dichte und hohe Wacholderbüsche waren da und dort wie Nester übers Gelände verteilt.

    Mit dem Fernglas suchte Joe den Fuß des Hügels ab, wo Wardell seinen Pick-up zu Schrott gefahren hatte. Wirklich erspähte er im dichten Gebüsch die Heckstoßstange eines Pick-ups der Landverwaltung. Das Auto war mit der Schnauze voran in ein tiefes, trockenes Bachbett gestürzt. Seit zwei Tagen lag es nun dort, und die Behörde hatte noch immer keinen Abschleppwagen geschickt. Ausnahmsweise war Joe froh über die Trägheit der Bürokratie.
    Er entdeckte eine zweite Reifenspur auf dem Hügel gegenüber, die über den Kamm verlief. Sie stammte gewiss von dem Wagen, dem Wardell nachgejagt war. Sorgsam musterte Joe den Fuß des Hügels und das Bachbett, das sich links und rechts des verunglückten Fahrzeugs wie eine Stilettwunde fortsetzte. Er konnte keine Stelle finden, um es zu queren. So eine Stelle schien einfach nicht zu existieren.
    Joe setzte seufzend sein Fernglas ab. Wie hatte der Kerl das bloß geschafft? Ob er auf der Ladefläche eine Art Brücke dabeigehabt und über die schmale Schlucht gelegt hatte? Doch das war zu weit hergeholt. Das Bachbett war zu breit dafür, und eine solche Vorrichtung mitzuführen und – noch dazu auf der Flucht! – auf – und wieder abzubauen, war viel zu umständlich.
    Er lehnte sich zurück und dachte nach. Maxine legte ihren großen, warmen Kopf in seinen Schoß. Er musterte den Hügel gegenüber, die hinaufführenden Reifenspuren und die Stoßstange des Unfallwagens, die fast obszön aus dem dichten Gebüsch ragte.
    Während er nachdachte, zog eine Pronghornantilope mit ihren einjährigen Zwillingen vor seinem Pick-up vorbei. Die Farbe ihres Fells bot hier die perfekte Tarnung: fein gezeichnete braune, weiße und schwarze Flecken, die mit den grasigen, windgepeitschten Hängen, dunklen Sträuchern und schmutzigen
Schneewehen verschmolzen. In einigem Abstand gingen die Tiere so vollkommen in der Landschaft auf, dass ganze Herden praktisch unsichtbar wurden.
    Plötzlich schlug Joe mit der Handwurzel aufs Lenkrad. »Mensch, Maxine«, sagte er laut. »Ich hab’s!«
    Nun kam es darauf an, den hellen Pick-up zu finden und das Spiel zum Schein mitzuspielen.

16
    Am Nachmittag fuhr Marybeth zu ihrer Teilzeitarbeit in den Pferdeställen. Ihre Mutter, die seit der Silvestereskapade das Haus nicht verlassen hatte, blieb mit Lucy und April daheim, und Sheridan war zu einem Basketballturnier in der Schule. Joe war schon früh auf Herman Kleins Anruf hin aufgebrochen.
    Alle acht Pferde hatten eine eigene Box und eine eigene Koppel von sieben mal sieben Metern. Alle standen draußen, als Marybeth ankam. Sie war sehr gern bei den Pferden, die sie stets mit leisem Wiehern begrüßten. Es gab vier Rotfüchse, drei Schecken und ein Buckskin. Alle gehörten Leuten, die monatlich für die Box, das Heu, das Ausmisten und in einigen Fällen auch für das Striegeln und Bewegen der Tiere bezahlten. Alle Pferde hatten ein Winterfell, dick und zottig, und aus frostigen Mäulern stiegen Atemwolken auf.
    Sie trug ihre dicke Leinenjacke, Handschuhe und ein Stirnband aus Vlies, das ihre Ohren wärmte.
    Die Besitzerin des Stalls, Marsha Dibble, hatte an die Pinnwand einen Umschlag für sie geheftet. Er enthielt ihren Scheck für die Stunden, die sie im Dezember gearbeitet hatte, eine Neujahrskarte und eine Notiz, die Marybeth daran erinnerte, dem Getreide einer älteren Stute ein Nahrungsergänzungsmittel zuzusetzen. Da Marybeths Ankunft bedeutete, dass es demnächst die Abendfütterung gab, waren die Tiere in ihre Boxen gekommen und beobachteten sie. Mit einer langen Heugabel wuchtete sie zwei knapp dreißig Kilo schwere Grasballen von einem Stapel und trennte ihre Schnürung auf. Dann teilte sie das Heu in Portionen, für jedes Tier etwa ein Viertel eines Ballens, was die

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