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Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
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Strickland. Sie klang munter.
    »Ja.«
    »Joe, mein Guter, wie läuft es? Kommen Sie voran?«

    Sie klingt wie eine alte Freundin, die sich um mein Wohlergehen sorgt, dachte Joe verblüfft.
    »Mir geht’s gut«, erwiderte er zögernd. »Warum fragen Sie?«
    »Ich werde von der Presse mit Fragen genagelt, wie Sie Birch Wardell auf der Straße gefunden haben. Die Reporter wollen wissen, warum Sie ihn angefahren haben und so weiter.«
    Joe nahm das Handy vom Ohr und betrachtete es. Von der Presse mit Fragen genagelt?
    »Ich habe Birch Wardell angefahren, weil er mitten auf der Straße stand«, erwiderte Joe ungerührt. »Es war ein Unfall. Dann hab ich ihn ins Krankenhaus gebracht und bin bei ihm geblieben, bis ich sicher war, dass alles leidlich in Ordnung ist.«
    »Joe, Sie brauchen nicht diesen Ton anzuschlagen«, sagte sie besänftigend. »Was diese Sache angeht, bin ich auf Ihrer Seite. Die fragen mich nur deshalb ständig, weil Sie ja schon beim Tod von Lamar Gardiner dabei waren.«
    Joe spürte Ärger in sich aufsteigen. »Wollen Sie damit sagen, dass ich etwas mit diesen Vorfällen zu tun hatte?«
    »Natürlich nicht! Ich bin auf Ihrer Seite.«
    »Welche andere Seite sollte es da auch geben?«, fragte er. »Und wer ›nagelt‹ Sie denn mit Fragen?« In Saddlestring gab es den Roundup, einen UKW-Sender und einen lokalen Mittelwellensender, der vorprogrammierte Musik, Börsenkurse und die Radionachrichten von CNN brachte.
    Nach einer langen Pause ließ sie eine wahre Wortlawine auf ihn los. »Deswegen hab ich nicht angerufen, Joe. Lamar Gardiner hatte für Freitagabend eine Sitzung anberaumt, in der es um die Strategie der Bundesforstverwaltung in seinem Bezirk gehen sollte … Sie wissen ja, die Straßensperrungen. Er hat die Sitzung schon vor Wochen angekündigt, und ich werde
den Termin beibehalten und den Vorsitz übernehmen. Ich hatte gehofft, Sie würden kommen und mich unterstützen. Ich weiß, dass Lamars Leitlinien umstritten waren, und ich könnte in dieser Angelegenheit Ihre Hilfe brauchen.«
    Der rasche Richtungswechsel überraschte Joe.
    »Ich kann zur Sitzung kommen«, sagte er und wünschte sofort, er hätte es nicht getan.
    »Hervorragend. Danke, Joe.« Ihre Munterkeit kehrte zurück. »Und seien Sie da draußen vorsichtig, mein Lieber. Die Dinge könnten etwas riskant sein, bis wir die Sache mit den Souveränen geklärt haben – und wer weiß, ob diese Leute neben Bundesbeamten nicht auch die Ordnungshüter des Staates Wyoming auf dem Kieker haben.«
    »Stehen die Souveränen denn im Verdacht, Birch Wardell in den Hinterhalt gelockt zu haben?«, fragte Joe. Das war ihm neu.
    »Dazu darf ich nichts sagen.«
    Dann wünschte sie ihm noch einen schönen Tag und legte auf. Joe horchte einen Moment lang auf die Stille im Hörer und war sich noch immer nicht sicher, was sich gerade zugetragen hatte.
    Die Unterhaltung hatte ihn verunsichert. Er wünschte, er hätte sie aufgezeichnet, um sie später abspielen und sich einen Reim darauf machen zu können. Melinda Strickland schien gewisse Dinge anzudeuten – dass Joe Gegenstand von Debatten und Verdächtigungen war; dass es Kräfte gab, die es auf sie abgesehen hatten; dass Joe womöglich mit diesen Kräften verbündet war –, ihm zugleich aber zu versichern, alles sei in Ordnung und sie arbeite gut mit ihm zusammen. Als ich sie nach Einzelheiten gefragt habe, dachte Joe mit grimmiger Ironie, hat sie so plötzlich den Rückwärtsgang eingelegt, dass das verbrannte Reifengummi noch durchs Telefon zu riechen war.

    Er schaltete sein Handy aus, damit sie ihn nicht nochmal erreichen konnte.

    Statt nach Hause und in sein Büro zurückzukehren, fuhr Joe dorthin, wo Forst – und Landverwaltung die Ausbreitung des Büffelgrases erforschten. Er wollte sich ein klareres Bild vom Unfallort und von dem Gelände machen, das Birch Wardell beschrieben hatte. Er brauchte fast anderthalb Stunden auf verschneiten Schotterwegen bis dorthin, wo Wardell den hellen Pick-up gesehen hatte, der vor ihm geflohen war.
    Joe bremste und musterte den sanft ansteigenden Hügel, auf dem Wardell das Fahrzeug erstmals beobachtet hatte. Metallgraue Salbeisträucher übersäten den Hang. In ihrem Windschatten hatten sich haifischflossenartige Schneemützen gehalten. Sonst war der Boden frei geweht; gelbes und schmutzgraues Gras war auszumachen.
    Vom Wagen aus konnte Joe im platten Gras Reifenspuren erkennen, die von der Straße zum Hügelkamm führten. Er nahm an, dass es sich um

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