Blutschnee
er lachen oder aus dem Haus rennen sollte.
»Ich bin Ihnen was schuldig«, sagte Nate, als Joe zu ihm kam.
»Aber nein.«
Nate musterte ihn scharf. »Ich hab Sie um zweierlei gebeten, und Sie haben beides getan. Ich wusste, dass ich Ihnen trauen kann.«
Joe schob die Hände in die Taschen und stieß die Absätze verlegen in den Schnee. »Vergessen Sie’s. Ich bin nur froh, dass wir die Täter geschnappt haben.«
»Ist Spud Cargill nicht noch immer auf freiem Fuß?«
»Soweit ich weiß, ja.«
Nate nickte und schien darüber nachzudenken.
»Warum? Wissen Sie irgendwas?«, fragte Joe.
In Nates Gesicht trat ein winziges Lächeln. »Ich weiß gerade genug, um gefährlich zu sein. In der Haft habe ich viele Unterhaltungen mitbekommen – Gesprächsfetzen zwischen Barnum und seinen Hilfssheriffs und zwischen Strickland und Barnum. Und aus ihren Fragen konnte ich schließen, was sie denken. Ich bin mir sicher, dass sie die Vertreibung der Souveränen vorbereiten. Der Sheriff und Strickland waren überzeugt, dass ich zu ihnen gehöre. Dick Munker wollte mich sogar zu dem Geständnis bringen, ich sei ein Vasall dieser Bürgerwehrtypen. Sie alle sind schwer enttäuscht, dass die Souveränen sich bisher nur zwei Dinge haben zuschulden kommen lassen: einen tiefen Hass auf die Regierung, der nicht strafbar ist, und zu langes Kampieren auf dem Zeltplatz. Deshalb wollen sie den Leuten da oben ein Verbrechen in die Schuhe schieben.«
»Vielleicht entspannt sich die Lage ja nun«, sagte Joe hoffnungsfroh.
»Damit würde ich nicht rechnen.«
»Aber es muss so sein.«
Aus Richtung Saddlestring tauchten Scheinwerfer auf. Geistesabwesend musterte Joe den Wagen, dessen Lichter eine immer größere Schneefläche beleuchteten.
»Das ist meine Frau. Möchten Sie reinkommen? Es wird kalt hier draußen.«
Schweigend musterte Nate ihn mit schmalen Augen.
»Was ist denn?«, fragte Joe seinen Besucher verärgert.
»Sie sind doch ein anständiger Kerl, oder?«
Joe ließ die Schultern sinken. »Lassen Sie das.«
»Ich meine es ernst«, erwiderte Nate leise. »Ich hab den Großteil meines Lebens unter Heuchlern und Arschlöchern verbracht. Mit Typen wie Barnum und McLanahan. Die meisten hatten keinen Fingerhut Charakter. Da ist es herzerwärmend, dass es noch anständige Leute gibt.«
Joe war froh um die Dunkelheit, da er sich erröten spürte.
»Sind Sie betrunken?«
Nate lachte. »Ich hab mir ein paar Gläschen darauf gegönnt, wie diese Ordnungshüter bei mir gewütet haben.«
»Stimmt, die haben Ihr Haus verwüstet. Sheridan und ich haben ein paar von Ihren Sachen wieder reingeräumt.« Sofort wand er sich innerlich, denn er wusste, was kommen würde.
»Sehen Sie!«, rief Nate und hob den Arm, wie um Joe den Wanderfalken zu zeigen. »Sehen Sie, was ich meine? Sie sind ein anständiger Kerl. Mit einer anständigen Frau und anständigen Kindern!«
Joe schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis Marybeth endlich neben dem Jeep hielt. Sie stieg mit einem Arm voller Lebensmittel aus. Sheridan umrundete das Auto, ohne den Blick von Nate Romanowski und seinen Raubvögeln zu lassen. Sie wirkte äußerst fasziniert.
Er machte die beiden mit Nate Romanowski bekannt.
»Ich hab Ihrem Mann gerade gesagt, was für eine nette Familie Sie haben«, erklärte Nate. »Ich bin froh, auf Menschen wie Sie gestoßen zu sein.«
Marybeth und Joe tauschten einen Blick.
»Nett, Sie kennenzulernen, Mr. Romanowski …«
»Nennen Sie mich Nate«, unterbrach er sie.
»… Nate«, fügte Marybeth hinzu. »Aber ich muss das ins Haus bringen und Abendessen machen.«
Nate schüttelte traurig den Kopf. »Abendessen machen«, wiederholte er. »Das ist wunderbar.«
»Möchten Sie mitessen?«, fragte Marybeth.
»Bitte«, flehte Sheridan. »Ich würde Sie gern einiges über Raubvögel und die Falknerei fragen.«
Alle sahen Joe an.
»Ich hab ihn schon eingeladen«, brummte er.
Während Marybeth das Abendessen zubereitete, hörte Joe zu, wie Nate mit Sheridan im Wohnzimmer über seine Vögel sprach. Nate breitete Zeitungen auf dem Fußboden aus, nahm zwei Stühle vom Tisch und setzte die Vögel so ab, dass sie mit aufruhenden Schwanzfedern auf der Lehne hockten. Missy und Lucy waren im Minivan zum Essen in die Stadt gefahren. Sollte Nate den Anblick zweier völlig gleich gekleideter weiblicher Personen mit einem Altersunterschied von über fünfzig Jahren seltsam gefunden haben, hatte er jedenfalls nichts gesagt.
Nate und die Vögel füllen das
Weitere Kostenlose Bücher