Blutschnee

wieder zu bluten.
    Joe war frappiert. »Es ging also um zwei unbezahlte Rechnungen? Sie haben einen Mann ermordet und einen zweiten töten wollen, weil die Ämter, für die Sie gearbeitet haben, Ihnen Geld schuldeten?«
    Latham nickte. Joes Ton hatte seine Furcht geweckt.

    »Ich sollte Sie an Ort und Stelle erschießen und den Kojoten überlassen«, sagte Joe eisig. »Ist Ihnen klar, was Sie und Ihr Geschäftspartner da fast ausgelöst hätten?«

    Sheriff O.R. »Bud« Barnum saß verstört da, als Joe Pickett ihm Bogen und Pfeile klappernd auf den Schreibtisch warf, nachdem er Latham an Hilfssheriff Reed übergeben hatte.
    »Ich hab einen der beiden gefasst«, sagte Joe. »Spud Cargill ist der andere, und der ist entwischt. Rope hat geschossen, und Spud hat Lamar die Kehle durchgeschnitten.«
    Barnum blickte zornig drein.
    »Rope hat auf dem Weg in die Stadt alles gestanden«, fuhr Joe fort. »Ich hab seine Aussage auf Band.«
    »Haben Sie ihn über sein Recht belehrt, die Aussage zu verweigern? «
    »Das ist auch auf dem Band.«
    »Und wo ist Spud?«
    »Keine Ahnung«, sagte Joe. »Warum gehen Sie ihn nicht suchen? Sie sind schließlich der Sheriff.«
    Barnum stierte Joe an. Sein Blick verdüsterte sich.
    »Ich weiß, Sie haben jede Menge zu tun mit den Souveränen, Melinda Strickland, › Stufe Eins ‹ und so, aber Spud fährt einen weißen Pick-up mit Nummernschild aus Wyoming und dem Logo der Dachdeckerei Bighorn an der Tür. Der Wagen dürfte nicht allzu schwer zu finden sein«, sagte Joe. Er legte die Hände auf Barnums Schreibtisch und beugte sich zu ihm vor.
    »Das hat nichts mit einer Antiregierungsbewegung zu tun. Es geht um Dachdecker, die ihre Rechnungen nicht bezahlt bekamen.« Joe funkelte Barnum an. »Und es hat viel mit nachlässiger Arbeit seitens des Sheriffbüros zu tun.«

    Die Adern an Barnums Schläfen begannen zu klopfen, doch er schwieg.
    »Wenn Sie Nate Romanowski auf freien Fuß setzen, sagen Sie ihm bitte, dass ich ihn sprechen möchte«, fuhr Joe fort. »Vorausgesetzt, Ihr Hilfssheriff hat seine Behandlung mit dem Elektroschocker inzwischen beendet.«
    Er drehte sich um und verließ das Büro.

    In der Nacht rüttelte Marybeth ihn wach. Als Joe die Augen aufschlug, stellte er fest, dass sie ihn musterte.
    »Es tut mir leid wegen gestern Abend und heute Morgen«, sagte sie. »Das hast du nicht verdient.«
    »Doch. Du hattest Recht«, gab er zurück, und seine Laune besserte sich sofort. »Schwamm drüber. Die Anspannung hier war ziemlich hoch.«
    Sie lächelte, sagte aber nichts.
    »Was ist?«, fragte er schließlich.
    »Joe, manchmal verblüffst du mich. Zwillingskälber?«
    Er lachte.

23
    Am Morgen fuhr Joe zu Carrie Gardiner, um sich von ihr Rope Lathams Geschichte bestätigen zu lassen. Sie stand in einer dicken Jacke vor dem Haus und hatte die Arme um den Leib geschlungen. Ein großer Umzugswagen hatte rückwärts vor die Tür gesetzt, und Packer luden Kisten und Möbel über eine Rampe in den Lkw.
    »Davon hab ich gehört«, sagte Joe und wies mit dem Kopf auf den Möbelwagen. »Wohin ziehen Sie?«
    »Meine Eltern leben in Nebraska.« Sie seufzte. »Sie haben einen Bauernhof. Dort ist Platz für uns alle.«
    »Es tut mir leid, dass Sie Saddlestring verlassen.«
    Ihre Augen blitzten kurz auf. »Mir nicht.«
    »Haben Sie das mit Rope schon gehört?«
    »Ja. Der Sheriff hat heute Morgen angerufen. Danke, dass Sie den Kerl verhaftet haben.«
    »Keine Ursache.«
    »Sagen Sie mir bitte, was passiert ist«, bat Carrie.
    Sie hörte aufmerksam zu und blickte dabei auf ihre Winterstiefel, während Joe ihr alles berichtete, was Rope erzählt hatte.
    Ale er fertig war, nickte sie.
    »Ich glaube es«, sagte sie.
    »Wirklich?«
    Sie nickte traurig. »Ich wünschte, es wäre nicht wahr, doch dem ist nicht so. Die Dachdecker haben sogar bei uns zu Hause angerufen, um sich zu beschweren. Einmal hatte ich Spud Cargill am Apparat, und er hat mir davon erzählt. Also hab ich Lamar gefragt, als er am Abend aus dem Büro kam.
    Er hatte letzten Sommer eine sehr schwierige Zeit. Ich glaube,
er hat erkannt, dass er in seiner Behörde nicht weiter aufsteigen würde, und das hat ihm hart zugesetzt. Er hat sich in den letzten drei Jahren immer wieder um die Versetzung in einen anderen Bezirk und um Aufgaben in der Regionalverwaltung beworben, dafür aber keine Unterstützung bekommen. Er hat wohl begriffen, dass er ein mittlerer Verwaltungsbeamter bleiben würde, und das hat ihm mitunter im Magen gelegen. Es