Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
Vom Netzwerk:
Raubvogel nicht wie ein Haustier«, fuhr er fort. »Sie müssen ihre Vögel stundenlang geduldig trainieren und sich mit ihnen verständigen. Die Tiere müssen täglich bewegt werden und immer in bester Form sein – damit sie gut jagen und jederzeit davonfliegen können. Man muss wie ein Falke denken, wie ein Raubtier, doch zugleich darf man den Vogel nicht dominieren. Wer das tut, bricht ihn. Und wenn er gebrochen ist, ist er für immer zerstört. Er fliegt zwar für einen, doch seine Verteidigungsinstinkte werden nie mehr scharf. Wer einen Falken bricht, spricht über ihn das Todesurteil. Wer den Vogel respektiert, arbeitet also daran, dass er das Wilde und Scharfe bewahrt, das er von Natur aus besitzt.«
    Er wies auf den dicken Handschuh in der Falknertasche.
    »Soll ich den anziehen?«, fragte Sheridan.
    »Willst du den Vogel etwa nicht mal nehmen?«
    »Dad, geht das in Ordnung?«
    Joe wusste nicht, was er sagen sollte. Sheridans Augen strahlten, und Romanowski lächelte weiterhin unergründlich.
    »Klar«, antwortete Joe schließlich.

    Nate streifte die Haube ab, hielt seine Faust neben Sheridans behandschuhte Rechte, drehte das Handgelenk ein wenig und nötigte den Falken dadurch, einen Schritt nach vorn zu machen. Der Vogel tat es mit Anmut, und Sheridans Arm sackte unter seinem Gewicht ein wenig ab. Nate half ihr, die Schnüre um die Finger zu winden, und zog sie am Handgelenk stramm. Es war ein seltsam vertrauter Moment, bei dem Joe sich etwas wand. Nate war ein kräftiger Mann mit einer besänftigenden Ausstrahlung, die so anziehend wie beruhigend war. Sheridan war erst elf. Als Joe den Falkner musterte, spürte er unter seiner Oberfläche die gleiche natürliche Wildheit und Gewalt, die Nate an seinen Tieren beschrieben hatte. Nate ist ein Greifvogel, dachte er. Er ist ein Jäger und Mörder und lebt in engerer Verbundenheit mit der Erde als alle, die ich je kennengelernt habe. In gewisser Weise war Nate erschreckend. Er kann aber auch, dachte Joe, ein großartiger Verbündeter sein.

    Zu Joes anfänglichem Verdruss servierte Marybeth Hackbraten. Zwar hatte sie sich nicht vorsätzlich in die Rolle der perfekten Hausfrau gestürzt und Nates Idealvorstellung von den Picketts als glücklich verheirateter Familie bedient, die im trauten Kreise mit Labrador hinter einem Palisadenzaun lebte, aber es sah genau so aus …
    Doch Nate lächelte nur glücklich und nahm sich eine doppelte Portion. Er stöhnte beim Essen beinahe schamlos vor Begeisterung, so dass Joe und Marybeth sich das Lächeln verkneifen mussten. Niemand hatte sich je so rückhaltlos für Marybeths Hackbraten begeistert. Sheridan stocherte in ihrem Essen herum und verbrachte den Großteil der Zeit damit, Nate zu beobachten oder sich nach den beiden Vögeln auf den Stühlen im Wohnzimmer umzusehen.

    Das Telefon läutete. Marybeth stand auf, ging an den Apparat und reichte den Hörer gleich darauf an Joe weiter.
    »Bitte bleiben Sie dran – Melinda Strickland meldet sich sofort«, wiederholte sie spöttisch, was die Sekretärin gesagt hatte.
    Joe zuckte zusammen, entschuldigte sich und verließ die Küche. Er spürte Nates Blick im Rücken, als er mit dem Telefon ins Wohnzimmer verschwand.
    Kurz darauf war Strickland am Apparat. »Joe!«, rief sie, »Sie haben einen der Mistkerle erwischt! Gute Arbeit, Joe!«
    »Danke«, murmelte er. Ihm war klar, dass Marybeth und Nate ihm von nebenan zuhörten.
    »Schade nur, dass er auf dem Weg in die Stadt keinen Unfall hatte.«
    »Wie bitte?«
    »Na, dass er nicht zu fliehen versucht hat oder so.«
    Er wusste, was sie meinte, doch er wollte, dass sie es aussprach. Leider war sie eine zu ausgebuffte Bürokratin, um etwas geradeheraus zuzugeben.
    »Gibt es Neuigkeiten über Spud Cargill?«, fragte er schließlich.
    Ihre Antwort ließ ihn erstarren. Er stellte fest, dass er noch mit dem Telefon am Ohr dastand, als sie sich längst von ihm verabschiedet und aufgelegt hatte. Die dumpfen Magenschmerzen, die ihn tagelang begleitet hatten, meldeten sich erneut, und einmal mehr spürte er, wie die Backen des Schraubstocks anzogen.

    »Was ist los?«, fragte Marybeth, als er sich wieder an den Küchentisch setzte. »Joe?«
    Er blickte auf. »Sie haben Spud noch immer nicht gefunden.
Melinda Strickland sagt, jemand will ihn in einem gestohlenen Pick-up auf dem Weg zum Battle Mountain beobachtet haben, und laut McLanahan hat ein Pick-up, auf den die Beschreibung des gestohlenen Fahrzeugs zutrifft, vor ein paar Stunden

Weitere Kostenlose Bücher