Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
Vom Netzwerk:
Cargill zweifellos bald gefasst
sei, werde sich die Anspannung im Twelve Sleep County nun lösen.
    Das wenigstens hoffte er. Zum ersten Mal seit Tagen spürte er keinen dumpfen Schmerz im Magen.
    Joe wäre liebend gern dabei gewesen, als Melinda Strickland, Dick Munker und Tony Portenson erfuhren, dass der wahrscheinliche Grund für Lamar Gardiners Ermordung und den Hinterhalt, in den Birch Wardell gelockt worden war, kein organisierter Hass auf die Regierung war, sondern Wut über die unbezahlten Rechnungen zweier Bundesbehörden. Er konnte nicht umhin, darüber den Kopf zu schütteln, und fragte sich, ob Munker und Portenson die Stadt nun einfach verließen und Melinda Strickland es ihnen gleichtun würde.
    Dann nämlich konnte er sich auf das konzentrieren, was wirklich wichtig war: April.

    »Joe, da draußen ist jemand«, sagte Missy von der Schwelle seines Büros her. Ihre Stimme klang besorgt.
    Die Füße auf den Schreibtisch gelegt und den Hut in die Stirn gezogen, war Joe in seinem Stuhl eingedöst. Die Anstrengungen der Woche hatten ihn ausgelaugt.
    Er rappelte sich auf, rieb sich das Gesicht und sah seine Schwiegermutter dabei zwischen den Fingern hindurch an. Ihr Gesicht und ihr Haar waren … perfekt – das Ergebnis von mindestens zwei Stunden Reparaturarbeit, wie Joe schätzte. Sie trug einen kamelhaarfarbenen Kaschmirpullover, der ihr ein wenig zu groß war, eine Perlenkette, eine schwarz schimmernde Steghose und Riemenschuhe mit Pfennigabsätzen. Das war offensichtlich nicht der Aufzug, um sich zu Hause an den Abendbrottisch zu setzen.

    Dann fiel ihm ein, weswegen er plötzlich wach war. Sie trat beiseite, und er öffnete den Vorhang im Wohnzimmer.
    »Wer ist das?«, fragte sie. »Er hat nicht geklopft, sondern sitzt einfach nur da.«
    Draußen stand ein ramponierter Uralt-Jeep mit stumpfer Nase. Der Kühler und die mit Draht geschützten Scheinwerfer lugten wie ein Spanner über den Palisadenzaun. Vom kaputten Dach hing zerfetzte Leinwand. Die schweren Stiefel auf die Stoßstange gestützt, hockte Nate Romanowski auf der Motorhaube. Die in einer Scharte zwischen zwei Berggipfeln versinkende Sonne ließ ihn in warmem, jenseitigem Licht erstrahlen. Der Rotschwanzbussard thronte auf Romanowskis Schulter und ließ ihn wie einen Piraten mit Papagei wirken; der Wanderfalke kauerte auf seiner Faust, die Schwingen des Gleichgewichts wegen ausgebreitet.
    »Ich weiß nicht, wie lange er da schon sitzt«, sagte Missy besorgt. »Marybeth und Sheridan müssen direkt an ihm vorbei, um ins Haus zu kommen.«
    Stimmt, dachte Joe – Marybeth holt sie vom Basketball ab.
    »Er heißt Nate Romanowski«, sagte er.
    Missy schnappte nach Luft und legte die Hand an den Mund. »Das ist doch der Kerl, der …«
    »Er hat es nicht getan«, erwiderte Joe unverblümt, ließ den Vorhang los und ging seine Jacke suchen. Obwohl die Nachmittagssonne die Temperatur angenehm hatte steigen lassen, würde sich das rasch ändern, wenn sie erst hinter den Bergen versunken war.
    Als er sich die Jacke überstreifte, merkte er, dass Lucy aus ihrem Zimmer getreten war und neben Missy stand. Das war ein beunruhigender Anblick, und er musste zweimal hinsehen: Lucy war eine Miniaturausgabe von Missy Vankueren. Ob Pullover, Perlen, Hose oder Schuhe – sie trug das Gleiche
wie ihre Großmutter, auch wenn der Pulli aus Baumwolle und die Perlen Imitate waren. Sogar die Frisuren glichen sich.
    Joe schaute Erklärung suchend auf und stellte fest, dass Missy strahlte.
    »Ist sie nicht bezaubernd?«, schwärmte sie. »Diese Sachen sind ein verspätetes Weihnachtsgeschenk. Heute Abend gehen meine kleine Enkelin und ich zum Essen aus.«
    »Ihr geht aus? So?«, fragte er ungläubig.
    »Zeig es ihm«, befahl Missy.
    Lucy schwang die kleinen Hüften und drehte sich mit über den Kopf gehobenen Armen langsam herum. Sie ähnelte Missy dermaßen und bewegte sich so sehr wie sie, dass Joe sich innerlich wand.
    »Was soll denn das?«, wollte er wissen und verzichtete mit Rücksicht auf Lucy darauf, seine Frage mit einem Fluch zu würzen.
    Missy warf ihm einen verletzten Blick zu.
    »Komm, Schatz«, sagte sie und machte auf dem Absatz kehrt. »Dein Vater weiß Stil nicht zu schätzen.« Auch Lucy drehte sich um und folgte ihr auf dem Fuß. Anders als seine Schwiegermutter allerdings wandte sie sich um, bevor sie das Bad betrat, und zwinkerte Joe zu. Sie wusste, dass es sich um einen Spaß handelte – auch wenn Missy das anders sehen mochte.
    Joe rätselte, ob

Weitere Kostenlose Bücher