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Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
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triefender Stimme. »Sollten Sie zu einer anderen Einschätzung kommen, wenden Sie sich direkt an mich. Dafür haben wir Ihre Telefonleitung als Einzige in Betrieb gelassen. Wählen Sie einfach den Notruf, und die Zentrale stellt Sie sofort durch. Ansonsten komme ich morgen früh mit einem Durchsuchungsbeschluss zurück, der auf die Festnahme von Spud Cargill zielt.«
    »Ich sagte Ihnen schon, dass er nicht hier ist.«
    Nacheinander setzten die Fahrzeuge zurück und fuhren weg. Als letztes Auto machte sich der schwarze Geländewagen mit Dick Munker und seinem Fahrer auf den Weg.
    Jeannie wusste, was geschah. Die anständigen Leute von
Saddlestring versuchten, die Souveränen mit Hilfe des FBI rauszuwerfen. Genau wie sie früher schon rausgeworfen worden war. Und um das zu erreichen, würden sie es ihnen hier so ungemütlich wie möglich machen.
    »Ihr Scheißkerle!«, knurrte sie wütend.

    Nachdem Munker und seine Kolonne gefahren waren, brauchte April Stunden, um sich zu beruhigen. Sie fragte, warum die Leute aus dem Lager den Männern in den Autos nicht gegeben hatten, was sie haben wollten.
    Clem sagte zu April, sie solle den Rand halten, und Jeannie verpasste ihm mit dem Handrücken einen Schlag auf den Mund. Clem starrte sie wütend an und ging für eine Weile raus. Als er zurückkam, war er angetrunken und sanftmütig, und April war endlich eingeschlafen.

    Spät am Abend drang aus einer schweren schwarzen Kiste am Fuß eines Baums am Battle Mountain ein dumpfes Klicken – so leise, dass es aus gut einem Meter Entfernung schon nicht mehr zu hören war. Durch den Schnee glühten nun zwei bernsteinfarbene Scheinwerfer, und eine CD begann zu rotieren. Dicke, doppelt isolierte Kabel verliefen von der Kiste zu den beiden Lautsprechern, die dreißig Meter weiter in acht Metern Höhe zum Leben erwachten. An die Stelle der Bergesstille traten ein swingender Backbeat und blecherne Bläser, und ein junger Wayne Newton sang:
     
    Danke schön, Darling, danke schön,
    Thank you for walks down Lover’s Lane …

    In ihrem Wohnwagen setzte Jeannie Keeley sich im Bett auf. Sie horchte und begriff, dass das Lied nicht zu ihrem Traum gehörte. Sie spähte durch das Dunkel in den hinteren Teil des Wagens, wo April in einem schmalen Klappbett aus furniertem Sperrholz schlief. Wenn das Mädchen sich im Schlaf hin und her warf, knarrte es. So wie in diesem Moment.
    Das Lied war endlich vorbei, begann jedoch binnen Sekunden von vorn. Wieder schallte »Danke schön« von Wayne Newton über den Zeltplatz – diesmal eine winzige Spur lauter als zuvor. Clem, der neben Jeannie in dem Doppelbett schlief, das sie jeden Abend aufbauten, indem sie die Tischplatte zwischen die beiden Sitzbänke des Wohnwagens einpassten, hatte sich nicht bewegt. Als die Musik lauter wurde, begann April zu weinen.
    Jeannie war zornig. Es war die erste Nacht, in der April eingeschlafen war, ohne zu weinen. Seit das Mädchen wieder bei ihr lebte, fand Jeannie, hatte es viele Hinweise gegeben, dass es wieder zum Baby geworden war. Das Kind war offenkundig verwöhnt, denn es heulte bei jeder Gelegenheit. Es schien zu glauben, das Leben solle leicht und nicht hart sein. Aber Jeannie wusste es besser. April würde es noch lernen. Sie würde hart werden. Schließlich blieb ihr gar nichts anderes übrig.
    Jeannie war fast der Geduldsfaden gerissen. In den letzten Tagen hatte sie das Kind schon mehrmals zu den Picketts fahren und dort hinauswerfen wollen. Es hatte sie unheimlich geärgert, dass April die Pickett-Mädchen als »Schwestern« bezeichnet hatte. Jeannie hatte im Geiste sogar eine Rede mit dem Tenor »Da, ihr könnt sie wiederhaben« eingeübt.
    Doch wenn April schlief, war sie wunderbar. Wenn April schlief, spürte Jeannie einiges von ihren mütterlichen Gefühlen zurückkehren. Wenn April schlief, entspannten sich ihre Züge, wurden weich und sahen aus wie auf einem Foto, das
Jeannie von sich besaß und auf dem sie neun Jahre alt war. Dieses Foto führte ihr stets vor Augen, dass April ihr gehörte. Jetzt allerdings spielte diese schreckliche Musik, die anfangs beinahe angenehm, nun aber hässlich und grausam deplatziert wirkte.
    »Warum wird das Lied immer wieder gespielt?«, fragte April. Ihre Stimme war vom Weinen schwach und heiser.
    »Weil sie uns loswerden wollen, Schatz.«
     
    Danke schön, auf Wiedersehen.
    Danke schön …

    Kaum dass es zu Ende war, begann das Lied von vorn. Jeannie hatte es nun sechsmal gehört. Und wieder klang es ein

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