Blutschuld
zurück. Die, die eigentlich höllisch hätte wehtun müssen. »Willkommen im Club. Habt ihr die Blutproben schon untersucht?«
Das Büro war sauber. Nicht sauber, sondern rein. Es war hübsch eingerichtet, maskuline Farben herrschten vor: dunkles Holz, Burgundertöne, eine Tapete mit barockem Goldmuster. Aber alles zu aufgeräumt und sauber.
So unberührt wie frisch gefallener Schnee.
Benutzte der Kerl das Büro überhaupt?
»Keine Übereinstimmungen«, meldete Jonas mit einem Seufzer. »Dein Hexer ist uns bisher nicht bekannt.«
»Verfluchter Hurensohn.«
»Hoffentlich war das alles an Magiebesessenen in deiner Nähe«, meinte Jonas daraufhin. Sein Optimismus war fast penetrant. »Viel Glück dann noch. Sieh zu, dass du an deine Infos kommst und meld’ dich dann!«
»Danke«, murmelte Naomi und ließ das Com zuschnappen. Mit gerunzelter Stirn betrachtete sie die Kunststoff-Boxen, die an der gegenüberliegenden Wand aufeinandergestapelt waren. Neben dieser überwältigenden Wand aus Kunststoff-Boxen hatte der Raum nur noch einen Schreibtisch, einen Monitor darauf, einen Schreibtischsessel dahinter und zwei Besuchersessel davor zu bieten.
Naomi umrundete den Tisch. Rasch verschaffte sie sich einenÜberblick. Das Ergebnis ließ sie mit dem Kopf schütteln: Der Stuhl war ordentlich unter die Platte geschoben, wo er hingehörte; der Monitor hatte nicht einen Fingerabdruck, und die in die Schreibtischplatte eingelassene Tastatur war blitzsauber. Die Schreibtischplatte war ebenfalls blitzsauber.
Phin Clarke war ein Ordnungsfanatiker. Nach dem Zustand, in der Naomi ihre Suite heute Morgen vorgefunden hatte, war das keine Überraschung mehr. Nicht einmal das Leder des Schreibtischstuhls wies die Kratzer und Risse auf, die man in Missionsbüros zu sammeln schien wie Auszeichnungen.
Wieder wandte Naomi sich den Kunststoff-Boxen an der Wand zu. Jede war ordentlich in gedruckten Blockbuchstaben beschriftet. Aber die Beschriftungen ergaben für Naomi keinen Sinn. Irgendein Code. Ein Sicherheitsverfahren, entwickelt und abgestimmt auf seinen Verwender.
Alles andere als dämlich. »Verdammt!«
»Kann ich Ihnen vielleicht suchen helfen?«
Naomi wirbelte herum, eine Hand fuhr automatisch zur Waffe im Schulterholster. Weder trug sie das Holster, noch hatte sie die Waffe. Stattdessen spürte sie den Verband unter dem Pullover. Ihr schlug das Herz bis zum Hals unter Gemma Clarkes anklagendem Blick.
Phins eine Mutter lehnte am Türrahmen. Ihr maßgeschneidertes Kostüm war goldgelb, die elfenbeinfarbene Bluse dazu setzte genau den richtigen Akzent. Ihre Hochsteckfrisur war sehr viel hübscher als Naomis zu einem unordentlichen Knoten zusammengewürgtes Haar.
Naomi schluckte schwer. Locker ließ sie die Arme hängen. »Mrs. Clarke.«
Gemma Clarke trat in das Büro ihres Sohnes, inspizierte es mit einem raschen Blick. Als sie nichts fand, das nicht an seinem angestammten Platz war, wanderte ihr Scharfsinn verratender Blick zurück zu Naomi und blieb an ihrem Gesicht hängen. Gemmas Augen wurden schmal vor Misstrauen. »Wonach suchen Sie?«
Naomis Gedanken überschlugen sich. Sie könnte lügen. Aber es gab wenig, womit sie ihre Anwesenheit in einem verschlossenen Büro hätte rechtfertigen können. Zumindest ihre Absichten könnte sie jedoch verschleiern.
Aber Gemmas kluge Augen würden sie schnell als Lügnerin entlarven. »Ich kann alles erklären, Mrs. Clarke.«
»Das erwarte ich auch von Ihnen«, sagte diese, im Ton nicht so unfreundlich, wie zu erwarten gewesen wäre. »Aber zuerst möchte ich wissen, warum mein Sohn erst heute Morgen mit aller ihm noch verbleibenden Würde, was allerdings nicht viel heißen will, in den Familienflügel zurückgekommen ist.«
Oh. »Hölle noch eins!«, entfuhr es Naomi leise.
Mit zusammengekniffenen Augen funkelte Gemma sie an. »Na, Hölle steht nicht gleich darauf, aber, na … Außerdem verlange ich zu erfahren, warum es die Einzige Heilige Kirche für angebracht hält, mein Unternehmen zu infiltrieren …« Sie hob eine Hand, um Naomi zum Schweigen zu bringen, die schon hatte protestieren wollen, »ja, genau, zu infiltrieren und auszuspionieren!«
Naomi stemmte die Hände in die Hüften. »Was hat Phin Ihnen denn erzählt?«
»Sie sollten nicht wie ein Papagei wiederholen, was Sie meinem Sohn aufgetischt haben«, erklärte Gemma, und ihr Tonfall war so kühl und nüchtern wie ihr Blick. Diese Frau besaß einen eingebauten, hoch empfindlichen Lügen-Detektor, um
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