Blutschuld
passiert manchmal«, setzte sie trocken hinzu. »Sowas wie Ferien. Ich bin nicht sonderlich gut in dem Entspannungszeugs, du weißt schon: Yoga und so.«
»Das ist mir nicht entgangen«, murmelte er.
Naomi ging auf die Bemerkung nicht ein. »Aber ich wollte raus aus dem Hamsterrad und Zeit für mich. Die Kirche dachte, hier im Zeitlos wäre es für mich sicher. Deshalb die ganze Geheimhaltung. Niemand soll wissen, dass ich hier bin.« Lügen, Lügen und genug Wahrheit, um sie zu verbergen.
Naomi hasste das, zur Hölle damit!
»Und letzte Nacht?«
Naomi berührte den Verband unter dem hastig übergestreiften roten Pullover. »Jemand muss mich erkannt haben. Eigentlich sind wir niemals allein. Selbst auf Urlaub bleibt der Partner immer in der Nähe.«
Phin deutete ein Nicken an. »Miles.«
Sie runzelte die Stirn. »Du hast ein verdammt gutes Gedächtnis für jemanden, der einen Schock gehabt hat.« Dann sah sie, wie verkrampft seine Finger waren. Die Knöchel traten weiß vor Anstrengung hervor. Naomi wusste kurz lang nicht, was tun.
Gab es überhaupt etwas, das sie tun konnte? Wie sie Phin beruhigen, ihm helfen konnte?
Nein. Bald wäre sie nicht mehr hier. Und alles, was bliebe, wären Kugelhagel und Blutvergießen.
Und Lügen.
»Ja«, bestätigte sie dann, ehe Phin auf ihre unterschwellig mitschwingende Frage reagieren konnte. »Wer auch immer auf mich«, auf dich! , korrigierte sie sich im Stillen, »geschossen hat, muss mich wiedererkannt haben. Ich bin sicher, die Mission hat ihn erwischt.«
»Ihn?«
»Oder sie«, setzte Naomi, ohne auch nur einen Sekundenbruchteil zu zögern, hinzu.
Phin starrte auf den Boden. Seine Kiefermuskeln arbeiteten, seine Schultern waren angespannt. Als ob er mit sich selbst uneins wäre, ob er noch etwas sagen wollte. Zu ihr.
Verflucht, Naomi wusste es einfach nicht. Sie stand auf und zwang sich, nicht zu Phin hinüberzugehen. Als er den Kopf hob und ihren Blick suchte, erstarrte sie. »Dann ermittelt die Kirche also nicht gegen das Zeitlos ?«
Wieder hatte Naomi unbemerkt die Luft angehalten. Endlich eine Frage, die sie beantworten konnte, ohne zu lügen. »Nein«, sagte sie leise. Nur gegen ein Arschgesicht von durchgeknalltem Agenten, der der Mission von der Fahne gegangen ist und sich hier eingeschlichen hat.
Selbst Naomi fiel kein besserer Ort ein, um unterzutauchen.
Phin bewegte sich so schnell, dass Naomi schreckensstarr zwischen dem Instinkt zu fliehen oder zu kämpfen gefangen war. Mit seinen großen, schönen Händen um ihre Taille zog er Naomi an seine Brust. Ziemlich auf Halbmast hing das Laken zwischen ihren beiden Körpern eingeklemmt. Naomis Wahrnehmung konzentrierte sich auf ihre Fingerspitzen. Unter ihren Händen auf seiner nackten Brust, da waren warme, schmerzhaft vertraute Haut und Phins langsamer, kräftiger Herzschlag. »Mach das nie!«, presste er heraus. Naomi sah nichts als seine Augen. So ernst, dieser Blick.
So herzzerreißend in seiner eisernen Strenge.
Sie leckte sich über die Unterlippe. »Was denn?«
Seine Lippen, dünn vor Anspannung, formten lautlos Worte. Aber Phin fand die rechten Worte nicht; sie wollten nicht über seine Lippen. Also ließ er Naomi los, als könnte er die ungesagten Worte auf diese Weise dazu bringen, ihn nicht mehr zu bedrängen, und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. »Zur Hölle damit«, murmelte er. Einen Lidschlag später zwang er Naomi mit rücksichtsloser Leidenschaft seinen Kuss auf.
Süßer Schmerz, der in ihrem in der Nacht so häufig besuchten Schoß pochte, verging in einer Flut aus Begehren, das Verlangen so unbezähmbar, Naomi so getrieben, dass alles um sie versank und aufhörte zu existieren bis auf Phin. Seine Lippen nahmen sich, was sie besitzen wollten, als zähle kein anderer Wille. Sie nahmen sich alles, was Naomi verflucht noch mal nie hatte geben wollen – sie kapitulierte vor diesen Lippen, sie beichtete ihnen die Begierde, die sie selbst in diesen Kuss trieb.
Wie heftig sie nach mehr verlangte, wie unendlich groß ihre Sehnsucht war.
Phin saugte ihr all das von den Lippen und schenkte ihr im Gegenzug, was sie nie hatte haben wollen. Was zu benennen sie sich selbst auf gar keinen Fall abringen wollte.
Dennoch stieß sie vor, stieß die Zunge hinein in die willige Hitze seines Mundes, ließ sich von Phins Zunge in ein wildes Spiel verstricken, während ihre Finger sich in die ausmodulierten Muskeln auf seiner Brust gruben. Sie spürte, wie sein Herz gegen ihre Handfläche
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