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Blutschuld

Blutschuld

Titel: Blutschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Cooper
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wurden aus ihren Verankerungen gerissen. Tageslicht fiel durch die aufgebrochenen Türen und Fenster. Der Rauch im Park geriet in Bewegung, als er mit dem Versprechen auf frischen Sauerstoff durch die Schneisen gesogen wurde.
    Carson taumelte zurück und ließ Naomi in der plötzlichen Erkenntnis los, dass sie ebenso gut ausgebildet war wie er. Sie konnte es in seinen Augen lesen, die mit einem Mal wachsam auf sie blickten. Keine Spur mehr von Erheiterung.
    »Genau. Ich bin hier, um dich zu erledigen«, spie sie ihm durch den Rauch entgegen. Der Rauch teilte sich unter einem Regen aus winzigen Bluttröpfchen. Waberte, aber blieb.
    Umhüllte die Kämpfenden, nahm ihnen die Luft.
    Carson lachte. »Wenn du wüsstest.«
    »Wissen? Kein Interesse.« Naomi zog den Colt aus dem Halfter und legte auf Carson an. Es war so selbstverständlich wie atmen. Wie gehen, stehen oder sprechen. »Keine Spielchen, du verfluchter Verräter! Du bist kein Magiebesessener, geschenkt.« Naomi verzog den Mund. »Du bist viel schlimmer!«
    Carson erstarrte. Nicht nur sein Grinsen, auch seine lockeren Sprüche vergingen ihm. »Geh niemals nur mit einem Messer bewaffnet zu einer Schießerei!«, sagte er mit einem angedeuteten Kopfschütteln. »Eigentlich weiß ich das.«
    »Tja, dumm gelaufen«, erwiderte Naomi, und ihr Finger krümmte sich langsam um den Abzug.
    »Warte!« Carson riss die Hände hoch, als könnte er mit den Handflächen wie mit einem Schutzschild die Kugel abfangen, mit der Naomi ihm ein Loch mitten in die Stirn zu pusten gedachte. Davon hatte sie bereits geträumt. Hatte sich vorgestellt, wie die Kugel sein Hirn in Brei verwandeln würde, in eine matschig rot-graue Masse.
    Ihr Magen krampfte sich zusammen, sandte Welle um Welle Übelkeit aus, die ihr die Kehle hochkroch.
    Naomi zögerte.
    »Ich bin nicht auf eigene Faust hier«, sagte Carson rasch. Flehentlich. »Ich hab mir das nicht ausgedacht. Hier gibt es etwas, das mit Magie aufgeladen ist, und ich bin nicht der Einzige, der es in die Finger bekommen will. Es geht um die Quelle des Lebens, sie gibt Leben zurück, heilt alles. Ein Jungbrunnen. Und die Kirche möchte den für sich, unbedingt.«
    Naomis Herz setzte aus. Ihr Blut floss mit einem Mal langsamer durch ihre Adern.
    »Lass mich gehen, und ich erkläre dir alles«, schlug Carson vor, die Ruhe selbst. Immer noch hielt er die Hände hoch, zeigte, dass er unbewaffnet war, dass seine Hände leer waren   – nur noch Blut klebte an ihnen. Phins Blut.
    Gemmas Blut.
    »Das geht nicht«, sagte Naomi leise. »Das kann ich nicht zulassen.«
    Seine Augenlider flatterten, der Blick für den Bruchteil einer Sekunde unstet. »Okay, kapiert, Süße, aber es wäre doch eine Schande, sich die Chance entgehen zu lassen. Ich hab’s dir schon gesagt: Ich kann dir Namen nennen. Ich kann dir alle Details der Operation nennen.«
    Da hob Naomi die Waffe wieder in die ideale Schussposition. Ihre Finger spannten sich fester um Griff und Abzug.
    »Scheiße!« Carsons eine Hand schnellte nach hinten in seinen Rücken, und Naomi zog den Finger am Abzug durch. Rauch wurde aufgestört, in geisterhaften Ranken spritzte er fort von dem ohrenbetäubenden Donnerschlag, den es tat, als Naomi den schweren Colt abfeuerte.
    Ein kleiner Fleck erblühte auf Carsons Stirn, ein exakt rundes Loch, das größer wurde. Aufplatzte. Blut spritzte in alle Richtungen. Ein feiner Nebel, Myriaden winzigster Blutstropfen, färbte den vormals grauen Rauch um sie herum plötzlich in den verschiedensten Rottönen.
    Joe Carson stierte Naomi an. Verschluckte sich an einem letzten Laut ersterbender Wut und ließ die Waffe fallen, die er aus einem Holster hinten im Hosenbund, gut geschützt in seinem Kreuz, gezogen hatte.
    Kein einziges Wort kam über Naomis Lippen. Kein markiger Spruch, keine spitze, bittere oder scharfsinnige Bemerkung. Nichts, was vermocht hätte, das Loch, die Leere in Naomis Herzen zu füllen. Wortlos, jeder Atemzug ein Schluchzen, feuerte sie noch zwei Kugeln in den sterbenden Missionar.
    Er sank zusammen. Ganz langsam. Die Knie gaben nach, und er landete mit dem Hintern zuerst in dem künstlichen kleinen See unter der Weide. Blut breitete sich über das Wasser aus, wie blutrote Wolken, die sich zu einem abendlichen Gewitter auftürmten.
    Hinter Naomi fiel die Mauer, die Lobby und Park trennte.
    Eine Welle Frischluft brach sich am Rücken der Jägerin, umspülte sie mit ihrer Kälte, hüllte sie ein wie eine gegen die Feuershitze schützende Decke

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