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Blutschuld

Blutschuld

Titel: Blutschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Cooper
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groß und breitschultrig und hatte obendrein eine Ausstrahlung, die ihn mit der Intensität elektrischer Ladung umgab.
    Selbst nach Jahren der Trennung vergaß eine Jägerin die Partner nicht, mit denen sie ausgebildet worden war. Naomi hatte Seite an Seite mit Silas gewohnt, hatte Seite an Seite mit ihm gelernt; Tag und Nacht waren sie zusammen gewesen. Es war eine seltsame Mischung aus Gefühlen, die in Naomi hochkochte, wenn sie an Silas dachte: Hass, Vorwürfe, unerschütterliche Freundschaft und Fürsorge.
    Familie. Silas, Jonas und Eckhart waren alles, was Naomi an Familie je gekannt hatte. Missionsleiter kamen und gingen, Missionare der eigenen Mission wurden versetzt oder fielen in Ausübung ihrer Pflicht; sogar Silas war irgendwann gegangen, war vierzehn Jahre lang fort gewesen. Und dennoch blieb die Bindung zwischen ihnen. Familie eben.
    Als Naomi nun Silas’ Wärme im Rücken spürte, verspannte sie sich.
    Große Hände legten sich auf ihre Schultern. »Hey.«
    Naomi erschauerte.
    »Du kannst nicht mehr zurück«, meinte er rau. Das war seine Version von ruhig und gelassen.
    Naomi hätte fast gelacht. »Zurück«, wiederholte sie beißend. »Zurück wohin? An den Ort, der jetzt lichterloh brennt, oder an den, der stattdessen brennen sollte?«
    Silas tätschelte ihr die Schulter. Das war seine Art, Trost zu spenden. In all den gemeinsamen Jahren hatte sie oder ein andererWeggefährte nie mehr von ihm bekommen. Naomi brannte die Kehle, kaum dass Silas sie zu trösten versuchte. Die Gewissheit, so viel verloren zu haben, trieb ihr Tränen in die Augen.
    Und alles kaputtgemacht zu haben, was sie vielleicht hätte haben können.
    Sie war mehr das Kind ihrer Eltern als ihr lieb sein konnte.
    »Nai, es gibt einen Ort, wohin du kannst.«
    Ihr Schnauben ging in einem fernen Donner unter. Allmählich klatschten erste dicke Tropfen auf Kies und Beton.
    Auf Naomis Scheitel.
    So war ihr Leben: angepinkelt vom Himmel, den nichts kümmerte, über einer Stadt, die nichts besseres zu tun hatte, als vorzugeben, alles wäre in bester Ordnung.
    »Nichts ist in Ordnung«, sagte Naomi laut. Ihr Blick ging hinunter zu der kalten, brünierten Waffe in ihrem Schulterholster.
    Kugelhagel und Blutvergießen. Das war das Leben, das sie kannte.
    »Phin Clarke ist in Ordnung«, sagte Silas, immer noch mit der barsch und schroff klingenden Stimme, die zeigen sollte, wie ruhig und gelassen er war.
    »Phin Clarke ist ein Idiot.« In plötzlich aufwallendem Ärger schüttelte Naomi Silas’ Hände ab. »Phin Clarke wäre beinahe draufgegangen, nur weil er keinen Bock hatte, darauf zu   …«
    »Naomi!«
    Sie legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen, als Regentropfen auf ihr Gesicht fielen. »Was willst du, Silas?«
    Endlich. Ein Quäntchen Normalität.
    Bewegung hinter ihr, neben ihr. Silas setzte sich rücklings neben sie auf die Einfassung aus Beton, die das Dach umgab. Breitbeinig saß er da, die Stiefel fest auf dem Kies. Naomi runzelte die Stirn, sah ihn abwartend an.
    In seinen grünen, rauchgrau gesprenkelten Augen stand keinerlei Mitleid. Sein Blick war scharf. Herausfordernd. »Ich möchte, dass du aufhörst, Missionarin zu sein.«
    Sie lachte. Bis ihr das Lachen in der Kehle stecken blieb.
    Sie wandte das Gesicht ab und versuchte, den Kloß in ihrem Hals herunterzuwürgen. Schmerz, Angst, alles, was sie zu überwältigen drohte.
    Ohne die Mission war sie verloren.
    Und wenn sie bei der Mission bliebe, war sie ebenso verloren.
    Silas beugte sich vor, stützte die Ellenbogen auf die Knie und fuhr fort: »Ich möchte, dass du bei uns mitmachst. Schließ dich uns an!«
    »Uns.« Das Wort klang tonlos.
    Silas nickte. »Jessie und mir. Und Matilda.«
    »Tatsächlich.« Mit einem regennassen Arm wischte sich Naomi die Nase ab. Ein Blitz zuckte durch die dunklen Wolken des Abendhimmels, grelles Gold, das sich mit dem roten Herzschlag aus Feuer verband, das langsam die wunderschöne Hülle des Zeitlos verzehrte.
    Himmel, das war mal eine Metapher für das Leben, im Allgemeinen und im Besonderen.
    »Die Sache ist die«, sagte Silas und verlagerte sein Gewicht. Der Kies knirschte unter den Sohlen seiner schweren Stiefel. Regentropfen spritzten, als sie vom Jeansstoff seiner Kleidung abprallten; Regentropfen fielen aus Silas’ Haaren, als er sich mit den Händen hindurchfuhr. »Alle haben immer geglaubt, die Quelle des Lebens wäre ein magisches Objekt. Jetzt stellt sich heraus, es ist ein Mensch.« Er warf ihr ein Lächeln zu,

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