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Blutschuld

Blutschuld

Titel: Blutschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Cooper
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gedacht hatte. Was sie jetzt also brauchte, war Zugriff auf das Sicherheitssystem, mehr nicht.
    Wieder im Fahrstuhl drückte sie die Taste für das nächste Stockwerk. Während der Aufzug sich in Bewegung setzte, wanderte ihr Blick hinauf zu der Kamera in der Kabinenecke.
    Wie sollte sie es anstellen?
    Am besten wäre es, Jonas Zugang zum geschlossenen internen Netzwerk zu verschaffen. Aber wie? Vielleicht könnte Jonas etwas entdecken, was der hauseigene Sicherheitsdienst übersehen hatte. Und das ganz ohne lästige neugierige Fragen.
    Die Aufzugtüren glitten auf, das übliche leise Flüstern von hydraulisch entweichender Luft und gut geschmierter Mechanik. Naomi trat aus der Fahrstuhlkabine. Dieser eine Schritt genügte: Sie musste eine Art Schallgrenze übertreten haben. Mit einem Mal nämlich war sie in einen Kokon aus Stille gehüllt. Nicht einmal gegen den instinktgesteuerten Impuls, zur Lärmvermeidung nur auf Zehenspitzen herumzuschleichen, ließ sich etwas tun. Grabesstille allüberall.
    Schwülwarm wie in einer Sauna, nur ohne den ganzen Dampf.
    Das Interieur glich dem des Spas ein Stockwerk höher wie ein Spiegelbild. Ein weitläufiges Areal und diverse Türen, die optisch nahezu mit den Wänden verschmolzen. Allerdings gab es auf dieser Etage keine Fenster. Keine Wannen, keine Becken, keine Jacuzzis. Hier war das Licht weitaus gedämpfter als oben, die Atmosphäre versprach Abgeschiedenheit. Sand und behauener Stein statt Pflanzen, und auf dem Boden lag Marmor, schwarz wie Gewitterwolken, den glitzernde Adern in Violett und Gold durchzogen.
    Die Türen waren alle geschlossen. Dunkles Massivholz, in das eine bemerkenswerte Sammlung von Mineralien, Steinen, Muscheln und Metall eingelegt war.
    Es roch auch anders hier als oben im überdimensionalen Schönheitssalon. Der Duft lag schwer auf der Zunge; er hatte etwas von Weihrauch. Moschusartig war er, würzig, nicht blumig. Beruhigend. Warm, ohne dabei schwül zu werden.
    Eine Handvoll Menschen hatte sich auf dem schwarzen Marmor ausgestreckt, Handtücher unter dem Kopf und so mancher mit einem digitalen Buch in der Hand. Alle wirkten zufrieden. Entspannt. Durch die Sohlen ihrer Schuhe hindurch spürte Naomi die Wärme des Bodens; ihre Füße wurden trotz hoher Absätze bis zu den Knöcheln hinauf, hinauf bis zu den Waden, warm.
    Naomi runzelte die Stirn. In schwarzen, ausgewaschenen Jeans und himmelblauer Seidenbluse fühlte sie sich overdressed. Schleunigst legte sie den Rückwärtsgang ein. Sonst käme noch jemand auf die Idee, sie wieder in einen Bademantel zu stecken.
    Schmale, kleine Hände in ihrem Rücken bremsten ihren Rückzug: Fast wäre sie rücklings in eine Brünette gelaufen, die im typischen Pastellgrün des Spa-Bereichs steckte. »Verzeihung, bitte,tut mir leid«, entschuldigte sich die kleine Person mit gedämpfter Stimme   – der Tonfall angenehm ruhig   –, als Naomi zu ihr herumwirbelte. Die Frau hob einen Finger an die Lippen. »Mein Name ist Liz. Sind Sie hier wegen eines Massagetermins?«
    Naomi warf einen Blick über die Schulter zu den Gästen hinüber, die sich auf dem Boden ausgestreckt hatten. Sie konnte es gerade noch verhindern, spöttisch die Lippen zu kräuseln. »Nein«, flüsterte sie. »Falsches Stockwerk. ’tschuldigung.«
    »Kein Problem.« Liz machte eine einladende Handbewegung, deutete über Naomis Schulter hinweg in den Raum mit dem schwarzen Marmorboden hinein. »Wenn Sie mal vorbeikommen wollen, dann wenden Sie sich gleich nach dem Eintreten nach links und verstauen dort Ihre Kleidung, okay?«
    »Ja. Vielen Dank.«
    Eher fröre die Hölle zu, als dass Naomi sich freiwillig in die Stille dieser Gruft einsperren ließe! Naomi wandte sich ab und wollte schon die Aufzugtaste drücken. Als die Fahrstuhltüren ohne ihr Zutun aufglitten, vibrierte augenblicklich jeder Muskel in ihrem Körper vor Spannung. Sprungbereit. Ganz kurz nur griff die Angst wie mit Tentakeln nach ihr, ehe sie sie niederkämpfen konnte.
    Sie hatte jedes Recht, hier zu sein.
    Naomi Ishikawa zumindest hatte dieses Recht.
    In der Fahrstuhlkabine lehnte Phin sich lässig gegen die umlaufende Reling. Bewusst leger war er in nichtsdestotrotz akkurat gebügelte graue Stoffhosen und ein Button-down-Hemd in Grasgrün gekleidet. Heute trug er eine Krawatte; sie hatte irgendein abstraktes Muster in Olive, Gold und Bronze.
    In seinen dunklen Augen blitzte kurz Vorsicht auf. Naomis kühl-distanziertes Lächeln gefror ihr im Gesicht. Gleich würde es,

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