Blutschuld
stöhnte er laut auf.
Aber ja: Jeder Zeitweilige hatte die Mittel. Jeder hatte die Gelegenheit, weil er in das Resort und eben auch ins Spa gelangen konnte.
Und, verflucht noch mal, jeder von ihnen hatte ein Motiv!
Aber welcher der vier Zeitweiligen könnte es getan haben? Cally vielleicht?
Unmöglich! Phin war ein Mensch, der seinen Instinkten vertraute. Und alles in ihm sagte ihm, dass Cally Simmons genau das war, was sie jedem zeigte, der es wissen durfte: eine Hexe, die verzweifelt um ihre Sicherheit besorgt war. Ein guter Mensch.
Was war mit Mario Gonzalez? Mit Greg Swenson? Beide Männer arbeiteten seit zwei Wochen für Phin. Er wusste nicht, ob die beiden Hexer waren. Aber die Befragungen, die sein Sicherheitsteam durchgeführt hatte, hatten ihn davon überzeugt, dass sie keine Mörder, Totschläger, Vergewaltiger oder Diebe waren. Beide Männer arbeiteten hart, der eine beim Reinigungs- und Wartungsdienst für die Schwimmbecken und als Bademeister, der andere in einer der Küchen. Nie war Phin auch nur die leiseste Beschwerde zugetragen worden.
Die beiden taten, was Phins Meinung nach das Beste war, das ein der Hexerei Verdächtigter oder deswegen Verfolgter tun konnte: Sie hielten sich immer schön bedeckt und sorgten dafür, dass sie nicht in die Schusslinie gerieten.
Dann war da noch Liz. Was war mit ihr? Eine der besten aushilfsweise angestellten Masseurinnen, der er je einen sicheren Hafen hatte geben dürfen. Joel trug sie auf Händen. Vor allem, so ging es Phin durch den Kopf, trug Joel sie auf Händen, weil er die Behandlung der schwierigeren Patienten auf sie abwälzen konnte.
Bliebe Hep. Von ihm war nicht einmal ein Nachname bekannt. Der Junge mit der olivbraunen Haut, der, als er im Zeitlos ankam, im Wäschekeller genächtigt hatte, aus Angst, die Missionare, die seine Familie abgeholt hatten, könnten ihn finden.
Phin schloss fest die Augen, kniff sie zusammen. Der Junge war gerade einmal zwölf Jahre alt. Vielleicht auch dreizehn. Wenn er versucht hätte, die Großmutter des Ordensmeisters umzubringen, dann sicher nicht mit einem ausgetüftelten Sabotageakt.
Phins Instinkt trog ihn nur äußerst selten. Und dennoch …
Und dennoch: Die Zeitweiligen hatten das stärkste Motiv, Alexandra Applegate tot sehen zu wollen.
Das Com vibrierte in seiner Hand, und er fuhr zusammen. Er zog ein Gesicht, weil eine Lappalie wie diese genügte, sein Herz vor Schreck einen Schlag auszusetzen zu lassen. Phin nahm das Gespräch an. »Sprechen Sie.«
»Barker hier, Sir«, meldete sich der Sicherheitschef so knapp wie möglich. »Mark Vaughn ist nicht zu Hause. Zumindest nimmt er das Telefon nicht ab. Soll ich jemanden hinschicken?«
»Ja. Ich möchte, dass Sie den Mann auftreiben.« Kaum dass Barker das bestätigt hatte, legte Phin auf. Sein Magen verkrampfte sich. Er wählte Lillians Nummer.
Sie ging sofort ran. »Ja?«
»Mutter, mir ist da ein Gedanke gekommen.«
Obwohl er sich bemüht hatte, sachlich und unaufgeregt zu klingen, wurde Lillians Tonfall sofort schärfer. »Was ist los, Phinneas? Stimmt was nicht? Ist mit dir alles in Ordnung?«
Das war typisch seine Mutter. Immer gleich auf den Punkt.
Mit der freien Hand fuhr Phin sich durchs Gesicht. Blicklos starrte er auf die ordentlich aufgestapelten Archivkisten vor der gegenüberliegenden Bürowand. Er las die rechteckigen, sauber beschrifteten Etiketten darauf. »Mir geht’s gut«, sagte er. »Mark Vaughn ist heute Morgen nicht zur Arbeit erschienen. Entweder, so glaube ich, ist er oder einer der anderen Zeitweiligen der Saboteur, nach dem wir Ausschau halten.«
Ein Moment lang herrschte Schweigen. »Wie kommst du darauf?«
»Von Vaughn weiß ich nur, dass er verschwunden ist. Deshalb glaube ich auch eher, es war einer der Zeitweiligen.« Die Worte wollten Phin in der Kehle stecken bleiben. Jedes einzelne Wort ein Verrat. Sorge. Phin räusperte sich. »Sie alle haben ein Motiv, Mutter«, seufzte er. »Wie könnte man sich besser an der Kirche und der Mission rächen, als jemanden aus der Familie des Ordensmeisters umzubringen?«
»Alles, was du hast, mein Schatz, sind ein Haufen Vermutungen, nicht mehr.«
»Eine andere Erklärung, die passen könnte, will mir nicht einfallen. Alle Zeitweiligen …« Phin ertappte sich bei einem ganz bestimmten Gedanken, runzelte die Stirn. »Sie alle sind nur kurz hier. Es fällt mir schwer, den Verdacht gegen sie abzuschütteln.«
»Nun gut. Wir überprüfen all ihre Angaben und wo immer sie
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