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Blutschuld

Blutschuld

Titel: Blutschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Cooper
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spröde geworden, zerspringen wie Glas.
    »Genau die Person, die ich gesucht habe. Wollen wir?« Der Ton, den er anschlug, enthielt eine unterschwellige Warnung. Ermachte eine Geste, dass Naomi ihn zurück in die Stille der Etage hinter ihr begleiten solle, aber Naomi beachtete sie nicht.
    Ihre Hand schoss vor, gegen den Rand der Aufzugstür, und blockierte den Sensor, der sie sonst geschlossen hätte. Wie eine Schockwelle schoss leichter Schmerz vom Handgelenk hinauf bis in ihre Schulter. Sie ignorierte den Schmerz. Aber ihr Mund wurde staubtrocken, als die Frau neben Phin in ihre Richtung blickte. Blaue Augen unterzogen sie einer stillen eingehenden Musterung.
    Die Frau war eine Schönheit.
    Immer noch eine Schönheit, musste es wohl heißen. Selbst nach all diesen Jahren, die sie jedes für sich mit plastischer Chirurgie und Stärkungsmitteln aller Art bekämpft hatte. Ihr kinnlanges, gewelltes Haar hatte dasselbe kühle Platinblond, an das Naomi sich erinnerte. Kein graues Haar fand sich darin, das den sorgfältig kultivierten Eindruck von Alterslosigkeit und ewiger Jugend zerstört hätte. Ihre Augen waren meisterhaft geschminkt, die Wimpern stark getuscht, und ihr Make-up vollendet geschmackvoll.
    Aber hinter den Ohren der kühlen Blonden entdeckte Naomi die winzigen Narben der Schönheitsoperationen. Die eben doch nicht ganz verschwundenen Fältchen, die die Perfektion von Unterlidstraffung und Augenlifting schmälerten. Dort, um die Augen und um den Mund, dessen Lippen immer noch so voll waren wie Naomis, weil man hier ebenfalls nachgeholfen hatte.
    Als die aufwendig alterslos gehaltene Frau nichts sagte, erkannte Naomi die Gleichgültigkeit in ihrer Reaktion. Es gab keinen Anflug von Wiedererkennen. Stattdessen Ablehnung, die eine Nanosekunde lang aus ihrem Blick sprach, ehe ein aufgesetztes, floskelhaftes Lächeln die aufgespritzten Lippen von Naomi Ishikawas Mutter umspielte. »Wir fahren nach unten«, sagte sie mit klarer Stimme und wandte den Blick aus zeitlos schönen Augen wieder Phin zu. »Das ungehörige Benehmen mancher Leute ist wirklich   …«
    Phin löste sich von der Fahrstuhlreling. Als ob er aus einem Zauberbann erwacht sei, war er mit ein, zwei schnellen Schritten aus dem Aufzug heraus. Mit einer Hand umfasste er Naomis linken Oberarm und sagte leichthin: »Entschuldigen Sie mich bitte, Mrs.   Montgomery!«
    Naomis Auflachen ging in einen Fluch über, als Phin sie herumwirbelte, nur weg vom Fahrstuhl, und sie an seiner Brust barg. Die andere Hand auf Hinterkopf und Nacken, drückte er Naomis Gesicht gegen seine breite Schulter, und nah an ihrem Ohr flüsterte er: »Still. Ganz ruhig.«
    Naomi roch den körperwarmen Geruch von Seife und Männlichkeit, als sie Luft holte, um etwas, irgendetwas, zu sagen. Dieser Geruch lag ihr auf der Zunge, während sie gegen die lautlose Litanei aus Wut, die ihr in den Ohren rauschte, um zusammenhängende Worte kämpfte.
    Vor Abigails erstauntem Gesicht schlossen sich die Fahrstuhltüren.
    Adrenalin raste durch Naomis Adern. Aus ihrer Brust schoss es in ihr Blut und pochte in ihrem Schädel. Ihr Körper bebte. Wut, bitteres Lachen schüttelte sie und   – verflucht noch mal!   – Enttäuschung. Sie stemmte sich gegen Phins Brust. »Loslassen, verdammt!«, spie Naomi wutentbrannt.
    Entschlossenheit stand in Phins Gesicht zu lesen, die Züge hart, als er über Naomis Kopf hinweg rasch den Raum in ihrem Rücken mit einem Blick erfasste. Naomi jedoch waren die neugierigen Blicke egal, die sie und Phin jetzt wahrscheinlich erregten. Sie hoffte, dem ganzen Pack würden die beschissenen Augäpfel aus dem Kopf fallen!
    Ehe sie Gelegenheit hatte, ihrem Herzen Luft zu machen, packte Phin sie an den Handgelenken und schleifte sie hinter sich her in Richtung einer der Türen. Naomis Stiefel schrammten über blanken Marmor, als sie über die äußere Begrenzung des beheizten Bodens stolperte.
    Angetrieben von einer Wut, die keinen Raum für einen klaren Gedanken ließ, holte sie schon Schwung, um Phin mit aller Macht in den Rücken zu springen.
    Er musste es geahnt haben, irgendwie.
    Er fuhr zu ihr herum, die Kiefermuskeln hart wie Stahl. Ein nicht minder stahlharter Griff um Naomis Handgelenke, ein wohlkalkulierter Ruck, in dem Phins ganze Kraft lag, und es riss Naomi auch durch den eigenen Schwung von den Füßen. Sie fluchte. Ein allgemeines Aufkeuchen, digitale Lesegeräte landeten achtlos auf dem Boden, aber Phin gab nicht auf. Er hob Naomi einfach hoch, trug

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