Blutschuld
Qualitäten.« Phin blickte Naomi den Gehweg entlang nach, sah, wie sie einem Mann in einem dunklen Regenmantel auswich, der an ihr vorbeiwollte. Er sagte etwas zu ihr, augenscheinlich etwas Schmeichelhaftes. Denn sie strich mit einer Hand das Kleid glatt und lächelte.
Ihr Blick flog hinüber zu Phin. Aber in der Dunkelheit konnte er nicht erkennen, was dieser Blick bedeuten mochte.
Andys Finger schlossen sich fester um seinen Arm. Die Besorgnis, die in dieser Geste lag, tat ihr Übriges. »Bitte tu mir einen Gefallen«, sagte sie ruhig. »Tu, worum ich dich bitte, und wir sind quitt, in Ordnung?«
Phin legte seine freie Hand auf Andys schmalen Handrücken und versprach: »Alles, was du willst.«
»Frag sie nach ihrem Tattoo.« Als er fragend die Augenbrauen hob, lächelte Andy nur. Es war ein resigniertes Lächeln und hatte nichts Heiteres. Sie tätschelte ihm die Hand auf ihrer Hand. »Genieß den Abend, Schatz! Das Kleid darf sie behalten.«
Ehe Phin ihr auch nur eine Frage stellen konnte, drängte sie ihn zur Tür hinaus und die Stufen hinunter. In Richtung Wagen, dorthin, wo Naomi es sich auf der Rückbank schon bequem gemacht hatte. Sie wartete im Warmen auf ihn; ihr Gesicht sah er nur im Profil.
»In genau demselben Zustand!«, rief Andy in seinem Rücken, um Phin noch einmal daran zu erinnern. Er seufzte. Andys Gelächter folgte ihm die Straße hinunter bis zum Wagen.
Naomis blickte ihn wachsam an, als Phin durch die offene Tür hineinschlüpfte und sich wieder auf den Rücksitz ihr gegenüber faltete. Er rutschte so weit weg von ihr, wie nur irgend möglich.
Naomi saß mit übergeschlagenen Beinen da, und die herrliche Abendrobe enthüllte viel zu viel von diesen langen, schlanken Beinen. Was das Kleid nicht enthüllte, war ein Tattoo.
»Die Fahrt wird ganz schön lang, was?« Sie lachte, mit einem rauchigen, kehligen Unterton, der sich um Phins Männlichkeit legte wie eine Hand. Nur dass sein Schwanz keinerlei Hilfe mehr nötig hatte. Phin tat einen Satz, wie alles andere in ihm. »Würde es helfen, wenn ich …«
»Nicht«, meinte Phin, der Mund verkniffen, die Finger um die Polsterkante gekrallt, »bewegen. Oder wir enden genau dort, wo wir schon waren, als wir angekommen sind.«
»Oh!« Naomi veränderte die Sitzposition, saß mit ordentlich nebeneinander gestellten Beinen da. Aber nur einen Herzschlag lang. Dann schlug sie die Beine langsam wieder übereinander, herausfordernd, sündig. »Tja, okay, also dann.«
Phin langte nach dem Champagner.
Miles würde ihnen zu Swann’s folgen müssen.
Naomi blickte aus dem Fenster. Ihr Blick folgte den verzerrten Schatten, die die Lichter der nächtlichen Stadt und die Bewegung der Limousine auf die dunklen Scheiben malten. Irgendwo da draußen war der Kerl, den Naomi jagte.
Selbst in diesem purpurfarbenen Kleid würde sie ihn aufstöbern, jagen, bis sie ihn hatte, und ihn zur Hölle schicken. Sie sehnte sich nach ihrer Waffe.
Naomi spürte, wie ihr die Haut kribbelte, als streichelte sie jemand. Ein Blick, der wie eine körperliche Liebkosung war. Sie wusste, Phin beobachtete sie. Wieder. Immer noch. Ein Teil von ihr genoss es. Sie wusste, dass er sie unwiderstehlich fand, hier und jetzt. In dieser elenden Abendrobe, die aus dem Stoff gesponnen schien, aus dem die Wolken sind. Ein Teil von ihr wusste, dass Phinneas Clarke nur das Kleid sah. Die reiche Göre.
Die Erbin.
Trotzdem war es die Nacht der Nächte. Ein feudales Abendessen, eine Abendrobe, Phins Hände und Lippen überall auf ihr – was war schon dabei? Morgen würde sie den Druck auf Carson erhöhen, die Jagd beginnen. Und dann über ihn kommen wie das Jüngste Gericht. Sie musste nur noch herausfinden, wo er sich versteckt hielt. Keine große Sache. Sie konnten nicht länger auf die Baupläne des Zeitlos warten.
Morgen könnte sie Carson dann ein paar Kugeln verpassen.
Aber heute Abend durfte sie Naomi Ishikawa sein.
Sie sah Phin an. Ihr Blick blieb an seiner Kinnpartie hängen, an der Linie seines Unterkiefers, an seinen Wangenknochen. An seinen Augen, die vor Lebendigkeit sprühten. Sie konnte es bis hierher sehen, trotz der dämmrigen Beleuchtung im Fond der Limousine. »Aha. Also das Swann’s.«
In Phins Mundwinkeln zuckte es. »Da hat Andy wohl ihren Mund nicht halten können.«
»Eine frühere Geliebte?« Naomi versuchte beiläufig zu klingen. Phins Lächeln wurde breiter und er nickte.
»Eine Zeitlang, ja.«
»Was ist passiert?«
Phin stellte das leere
Weitere Kostenlose Bücher