Blutschuld
wäre es extra für sie gemacht. Nur für sie und ihre endlos langen Beine.
»Phin?« Fragend neigte sie den Kopf. Phin konnte den Kehlkopf an ihrem Schwanenhals hüpfen sehen, als sie schwer schluckte. »Hallo?«
»Einen Augenblick, bitte.« Phin ging um den Tisch herum.Ganz langsam durchquerte er das Büro und blieb erst stehen, als der nächste Schritt sie in seine Reichweite gebracht hätte. Es wurde immer schlimmer … nein, besser, Jesus Maria, schlimmer, je näher er Naomi kam. Einer Göttin gleich stand sie da, eine Kreatur der Nacht, erschaffen aus Mondlicht. Und er …
»Ich erwarte«, hörte er Andy in strengem Ton sagen; sie stand irgendwo hinter Naomi, »dass Miss Ishikawa in dem Zustand bei Swann’s ankommt, in dem sie jetzt ist!«
Naomi verlagerte das Gewicht von einem aufs andere Bein. Röte kroch über ihr Dekolleté, ihre Schultern und stieg ihr hinauf in die Wangen. Ihre Augen lachten, wissend, verführerisch, als Phins und ihr Blick sich trafen. »Ja-a«, bemerkte sie gedehnt, Samt in der Stimme, »in genau demselben Zustand.«
Sie wandte sich um. Phins Blick ging zu den hohen Riemchensandalen, die Naomi jetzt trug. Eigentlich fielen sie kaum auf, schmale Bänder aus glitzerndem Gold um ihre Knöchel. Phin wollte diese Sandaletten, diese Knöchel auf seinen Schultern spüren. Jetzt sofort .
»Ähm, ja«, gelang es ihm heiser hervorzustoßen. Er räusperte sich und tauschte einen Blick mit Andy, die ihn aus Augen schmal wie die eines unerbittlichen Raubtiers musterte. Phin setzte zu einem weiteren Versuch an und sagte: »In einem Zustand, der absolut perfekt ist, wie ich zugeben muss. Andy, du bist ein Genie!«
»Nein«, verbesserte Andy ihn und hakte sich bei Naomi unter, »ich bin eine Künstlerin. Perfekt war hier die Leinwand, also sie hier, Naomi.« Sie bot Phin ihren freien Arm an, und Phin hakte sich unter. Sein Lächeln stand dem Naomis nicht nach, als Andy sie beide zur Eingangstür geleitete. »Habt Spaß, aber benehmt euch …« Der gestrenge Blick galt Phin, der den Anstand besaß, verlegen zu lächeln. »… und um aller Heiligen willen, Naomi, probieren Sie das Dessert! Es ist egal, welches Sie bestellen, aber Sie müssen es unbedingt kosten und dabei an mich denken.«
»Versprochen.«
Trotz ihres glanzvollen Auftritts, ihrer wirkungsvoll entfalteten Schönheit, wirkte Naomi befangen, ihr Blick glasig. Phin hatte fast so etwas wie Mitleid mit ihr. Er berührte ihre Schulter. Wie ein elektrischer Stromschlag knisterte es seinen Arm hinauf und schlug in seiner Brust ein. Ein schwaches Echo einer Wunde, die sich schloss. »Warum gehst du nicht schon mal vor zum Wagen?«, schlug er vor. »Ich komme gleich nach.«
Zu seiner Überraschung schluckte sie das ohne große Diskussionen. Sie wandte sich an Andy. In der einen Hand die regenbogenfarbene Handtasche, die nicht zum Kleid passte, in der anderen eine goldene, die Andy für sie ausgesucht hatte, beugte sie sich zu der blonden Frau hinunter und hielt ihr die Wangen hin, um sich zum Abschied angedeutete Küsse aufhauchen zu lassen. »Danke«, sagte Naomi mit einem verräterischen Glitzern in den Augen, »es war wirklich schön, Sie kennenzulernen, Andy.«
»Ich hoffe, Sie erzählen allen und jedem, dass Sie ein Original-Andromeda-Kleid tragen«, meinte die Designerin und strahlte. »Dann habe ich Arbeit genug bis zum nächsten Großen Beben.«
Naomi drehte sich um, warf Phin über die Schulter einen nachdenklichen Blick zu und schritt wie eine Königin die Stufen vor dem Eingang hinunter. Martin beeilte sich, ihr entgegenzukommen und ihr den Schirm über den Kopf zu halten. Ihm stand ins Gesicht geschrieben, wie hingerissen er war. Mehr noch, sein Blick hatte etwas geradezu Ehrfürchtiges.
Sie hatte ihn bei den Eiern. Phin konnte es Martin nachfühlen.
»Vielen Dank, Andy.« Auch er beugte sich hinunter. Sein Kuss auf Andys Wange war echt. »Ich schulde dir was.«
»Junge, und wie!«, sagte sie. Ihr nachsichtiger Tonfall nahm ihren Worten den Stachel. Sie griff nach seinem Arm, als Phin sich wieder aufrichtete. »Was weißt du über sie, Phin?«
Sie hatte die Stimme gesenkt, ihr Blick war ernst. Phin runzelte die Stirn. »Es gibt jede Menge, das ich nicht über sie weiß«,räumte er ein. »Aber eines weiß ich: Sie ist witzig, sie ist gescheit, sie ist hinreißend …«
»Na, das auf jeden Fall«, warf Andy mit ironischem Unterton ein.
»Ich meine nicht nur ihr Äußeres, sondern auch ihre inneren
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