Blutschuld
Zeit hatten. Die Reservierung, die andere zu bekommen Monate brauchten, stand. Phin musste sich beherrschen, nicht zu Naomi in die verdammte Ankleidekabine zu steigen.
Zu wissen, dass Naomi den größten Teil der letzten zwei Stunden mit nichts auf der Haut als ein bisschen roter Spitze und seinem Geruch verbracht hatte, reichte: Das Blut, das normalerweise sein Gehirn mit Sauerstoff versorgte, war längst dabei, ein anderes sehr viel tiefer sitzendes Körperteil in Bereitschaft zu versetzen.
Der heutige Abend bestünde aus jeder Menge ungestillter Erwartung und damit schönster Qual. Immerhin hatte er Naomi bereits einmal nehmen dürfen.
Blicklos starrte er auf die Naturgewalt der Farben, die Andys Atelier beherrschten, und fragte sich, ob im Zeitlos alles in Ordnung war. Nicht zum ersten Mal überprüfte er das Display des Coms an seinem Gürtel. Keine Nachrichten. Phin war nur halbwegs beruhigt. Wenn es ein Problem gäbe, würden sie ihn anrufen.
Trotzdem konnte er das Gefühl nicht abschütteln. Irgendetwas stimmte nicht.
Hinter sich hörte er Andys Räuspern. Er wandte sich um, erwartungsvoll, sah aber nur sie vor sich stehen. Sie lächelte wissend und mitfühlend zugleich. »Wir machen ihr jetzt noch die Haare und frischen das Make-up auf. Und du machst dir in der Zwischenzeit einen Drink.«
»Ist es das richtige Kleid?«
»Das wirst du gleich sehen«, antwortete Andy und verschwand wieder im eleganten Ankleidebereich.
Phin fügte sich notgedrungen, aber nur weil der Drang, doch einen Blick über die Trennwand zu werfen, sonst übermächtig geworden wäre. Schuldbewusst schlug er die andere Richtung, die zu Andys Büro, ein und bediente sich an der umsichtig bestückten Bar.
Langsam nippte Phin an dem teuren importierten Whisky. Die beiden Frauen brauchten wohl noch eine Weile. Wenn man unter Frauen aufwuchs, wusste man, dass man immer warten musste. Also machte Phin es sich hinter Andys schwarzem Metallschreibtisch bequem und ließ wieder einmal das Com aufschnappen, um es auf Nachrichten zu überprüfen.
Zumindest bekäme er so auch noch etwas Arbeit getan. Das hielte ihn davon ab, zu schnell den wunderbar torfigen Whisky zu trinken, und beschäftigte sein Gehirn mit anderem als dem, was in der Ankleidekabine vor sich ging.
Sein Whisky war nur noch halb voll, als Andy in der Tür stand und Phin mit einem Räuspern auf sich aufmerksam machte. Er stellte das Glas ab, erhob sich und hielt inne, als Andy bat: »Bleib hier.« Sie verschwand wieder. Schatten verschmolzen miteinander, weibliche Stimmen unterhielten sich leise.
Phin war, als kollabierten seine Lungen, als Naomi den Fuß ins Büro setzte.
Ihr Haar war Strähne für Strähne in Locken gelegt und einzeln mit Diamanten hochgesteckt, die wie Sterne am Nachthimmel im Schwarz ihres Haarschopfs glitzerten. Ihr Make-up war unaufdringlich, ihr Gesicht durchscheinend wie zartes Porzellan; es schien von innen heraus zu leuchten. Ihre Augen waren durch dramatisch wirkenden Eyeliner betont; ihre Lippen besaßen einen Glanz, der sie noch üppiger und verführerischer wirken ließ.
Naomis Gesichtsausdruck war kühl; sie wirkte unbeteiligt, gleichgültig. Aber unter dem herrlichen Purpur, der ihren Körper mit der Zärtlichkeit eines Geliebten umgab, war jeder Muskel hart vor Anspannung. Aber, Herr im Himmel, worum sorgte sie sich?
»Du …«, Phin musste heftig schlucken, »du bist umwerfend!«
Das Kleid saß perfekt, unterstrich die weichen, weiblichen Linien von Naomis Figur; die Korsage mit diagonal verlaufendem Goldperlenmuster war eng geschnürt, hob ihre Brüste und machte ihr einen Busen, wie perfekter sie keinen hätte haben können. Ihr Dekolleté war so hinreißend schön, dass Phin wusste, fürchtete, er könnte nicht lange, vielleicht sogar nicht länger, widerstehen, hätte er diese Perfektion weiter, den ganzen Abend lang, vor Augen. Ihre Schultern waren bloß, weiß und glatt wie Porzellan, während mehr Purpur ihre Arme in tief angesetzten Scheinärmeln umfloss.
Und dann Naomis Beine: bei allen Heiligen, Phin würde als glücklicher Mann sterben! Der Rock der Abendrobe, der schimmernd und sanft bis zum Boden fiel, war an einer Seite geschlitzt und gewährte den Blick hoch den Schenkel hinauf. Der Schlitz endete eine Handbreit unter der roten Spitze des Höschens, von dem Phin hoffte, Naomi trüge es immer noch. Das Kleid trug eindeutig Andromedas Signatur; es war unglaublich sexy und absolut kompromisslos.
Aber Naomi trug es, als
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