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Blutschwestern

Blutschwestern

Titel: Blutschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hatte
     die furchtbare Angst in ihren Augen gesehen. »Xiria!«, rief er nun fast verzweifelt. Mit unsicheren Schritten ging er auf
     den kleinen Durchgang zu, der zurück in Salas Tempel führte. Vielleicht war sie dort, allerdings war |294| es unwahrscheinlich, denn trotz ihrer schlanken Gestalt hätten ihre Schwingen sie daran gehindert, sich durch den engen Durchgang
     zu zwängen. Doch seine Verzweiflung ließ Degan hoffen. Mit pochendem Herzen zwängte er sich zurück in den Tempel und erschrak
     mindestens ebenso wie die Hohepriesterin und seine Mutter, die gemeinsam mit Früchteschalen vor Salas Statue knieten und das
     Sommerwendenopfer vorbereiteten.
    Als sie Degan erkannte und den augenscheinlich schlechten Zustand, in dem er sich befand, sprang Ilana auf und kam zu ihm
     gelaufen. Liandra musterte ihn kühl, ihre Augen blickten fast noch kälter, als sie es sonst schon taten.
    »Degan, mein Sohn! Was ist mit dir geschehen? Was hattest du auf dem Tempelhof zu suchen? Wir haben dich gesucht und auch
     Lin nicht gefunden. War sie dort draußen bei dir?«
    Ilanas Fragen trafen ihn wie Schläge ins Gesicht. Degan konnte nur den Kopf schütteln und sich dann an der Wand abstützen.
     Ilana legte ihm eine Hand auf die Stirn und wischte den kalten Schweiß fort. Ihre Blicke waren besorgt. »Was hast du da draußen
     getan?«
    »Xiria!«, presste er hervor. »Wusstest du von ihr? Hast du sie gesehen?«
    Seine Mutter sah ihn verständnislos an, und Degan erkannte, dass sie nichts von der Greifin ahnte. Die Priesterinnen Salas
     hatten sie selbst vor Engils Königin versteckt gehalten.
    Ein Geräusch ließ sie beide gleichzeitig herumfahren. Liandra war aufgesprungen und hatte dabei die Opferschale mit den Früchten
     fallen lassen. Wie erstarrt stand sie da, ihre Augen verrieten Angst und Entsetzen. »Was hast du getan, verfluchter Narr!«,
     schrie sie Degan an. Ilana, vom ungewohnten Gefühlsausbruch der Hohepriesterin überrascht, legte schützend einen Arm um ihren
     Sohn. »Wovon redest du, Liandra? Warum bist du so aufgebracht?«
    Liandra beachtete die Königin nicht, stattdessen kam sie ein paar Schritte näher und bedachte Degan mit zornigen Blicken.
    »Hast
du
sie dort draußen eingesperrt wie ein Tier?«, fragte er |295| schließlich, ohne seinerseits die Abneigung vor der Hohepriesterin noch länger zu verbergen.
    »Sie ist ein Tier … sie ist viel weniger als ein Tier«, antwortete Liandra und war bemüht, die Beherrschung nicht erneut zu
     verlieren. Nur ihre Augen verrieten weiterhin den Aufruhr in ihrem Innern.
    Degan schüttelte den Kopf. »Wie konntest du das tun?«
    »Wo ist sie?«, fragte Liandra, ohne seine Frage zu beantworten, und wollte an ihm vorbei auf den Tempelhof.
    Degan hielt sie am Arm fest. »Sie ist fort!«
    »Bei Salas Liebe, du hast sie befreit? Du weißt ja nicht, was du getan hast!«, flüsterte Liandra, so dass Degan meinte, dass
     die sonst so stolze Priesterin Angst verspürte.
    »Wovon redet ihr?«, mischte sich Ilana ein.
    »Die Greifin …«, sagte Degan nur matt. »… die Priesterinnen halten eine Greifin dort draußen in einer Hütte. Wie ein Tier
     haben sie sie eingesperrt. Aber nun ist sie fort.«
    Ilana sah Liandra fragend an. »Wovon in Salas Namen redet er? Seit vielen Sommern haben wir keinen einzigen Greif mehr gesehen,
     nicht mehr seit Dawon …« Sie biss sich auf die Lippen und verstummte. Dann schüttelte sie irritiert den Kopf. »Es gab niemals
     weibliche Greife.«
    »Sie war aber da …«, erklärte Degan mit mittlerweile festerer Stimme. »Ich habe sie geküsst … und es war seltsam. Es war,
     als hätte sie etwas aus mir herausgezogen. Ihr Kuss hat mir die Luft geraubt … und doch war sie mir irgendwie … vertraut.«
    Liandras Gesichtszüge wurden hart wie Stein. »Du hast sie geküsst? Möge Muruk dich holen! Es ist allseits bekannt, dass der
     Prinz von Engil seinen Verstand zwischen den Lenden trägt, aber heute bist du zu weit gegangen. Du bringst Unglück über ganz
     Engil!« Ihre Stimme war beinahe hysterisch, und selbst Degan erschrak, da er die Priesterin noch nie so fassungslos gesehen
     hatte.
    »Wer ist sie?«, fragte Ilana nun leise in Liandras Richtung.
    Die Priesterin verschränkte die Arme und schüttelte den Kopf. |296| Dann ging sie ein paar Schritte auf sie zu, nur um sich wieder abzuwenden und den Kopf in einer verzweifelten Geste in die
     Hände zu legen. Es war nicht zu übersehen, dass sie mit sich rang. Schließlich strafften

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