Blutschwestern
gewesen wären. Es war ein herrlich freies Gefühl, ein Gefühl des Loslassens
und ein Versprechen der nie endenden Freiheit. Er spürte keinen Hunger und keinen Durst. Die einzige Empfindung, zu der er
fähig war, war das Brennen seiner Lenden.
Xiria ging vor ihm in die Hocke. Degan vernahm den Duft ihres Schoßes, süß und betörend. Schon begann er sich wieder zu regen
und wollte sie auf sich ziehen, doch da flog Xirias Kopf herum. Sie war abgelenkt. Wie ein Schlag traf ihn die Wirklichkeit,
und sein Verstand heulte gequält auf. Er wollte sie nicht, diese Wirklichkeit! Sie sollte ihn davon befreien.
»Xiria«, flehte er sie an, doch sie bedeutete ihm mit einer Handbewegung, still zu sein. Mit geschmeidigen Bewegungen erhob
sie sich und trat an den Rand des Turmes. Er folgte ihr mit verhangenen Blicken. Sie sollte zurückkommen … sie sollte ihn
verbrennen! Sie aber schien etwas zu sehen dort unten, weitab von ihrer gemeinsamen Wirklichkeit.
»Xiria ist gleich wieder bei Degan«, flötete sie, dann ließ sie sich über den Rand des Turmes fallen und verschwand aus seinem
Blickfeld.
Degan sah ihr hinterher. Er wollte bei ihr sein, wollte nicht, dass sie fortging, doch er besaß keine Schwingen, um ihr zu
folgen.
Wenn sie nicht zurückkehrt, bin ich verloren, ich werde hier oben sterben
, dachte er in einem klaren Augenblick, dann schloss er die Augen und verbannte seinen Verstand. Warum sollte sie nicht zurückkehren?
Sie gehörten zusammen – nichts konnte sie trennen, gar nichts!
Xiria schwebte elegant wie ein Raubvogel auf Mador zu und setzte dann leise und anmutig vor ihm auf. Ihr Körper war schweißnass, |402| sie hatte sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, ihren Silberschmuck oder einen Schurz anzulegen. Vollkommen nackt war sie,
und selbst er, der nicht den Geruchssinn der Greife besaß, konnte riechen, dass sie sich der Liebe hingegeben hatte. Kurz
verspürte Mador ein begehrliches Ziehen in seinen Lenden und rief sich zur Ordnung. Er konnte ihre Abneigung spüren, und diese
stieß wiederum ihn ab. Eine Greifin zu haben wäre sicherlich aufregend gewesen, doch Xiria war viel zu gefährlich, als dass
er seinem Begehren hätte nachgeben wollen. Außerdem brauchte er sie für wichtigere Dinge.
Mador verschränkte die Hände hinter dem Rücken. »Ich weiß, wo die Kette ist, besser gesagt, wer sie hat!«
Xiria nickte ihm zu, zum Zeichen, dass sie bereit war, Mador die Kette zu bringen.
»Im Isnalwald, nahe bei den Quellen und den Bellockbäumen irrt ein junges Mädchen umher. Sie trägt die Kette um ihren Hals.
Bring mir die Kette!« Er blickte zum Turm hinauf. Xiria verfolgte ihn mit Augen. Es bestand keinerlei Zweifal daran, dass
sie bereit war, Mador zu töten, sollten seine Lippen auch nur ein falsches Wort hervorbringen.
»Er ist kein Greif, oder?« Mador formte seine Worte betont ausdruckslos.
»Er gehört zu Xiria. Mador wird ihn nicht anrühren«, drohte sie ihm sofort.
Mador hob die Hände und tat unschuldig. »Natürlich nicht, Xiria! Wir hatten einen Handel. Ich frage nur, weil dieses Mädchen,
das die Kette trägt, durch die Wälder von Isnal irrt und dabei seinen Namen ruft.« Er konnte spüren, wie seine Worte ihre
Wirkung erzielten. Xirias Stärke verwandelte sich in ein neues Gefühl, das sie noch nicht kannte. Unsicherheit! Obwohl sie
Mador nichts von ihren Gefühlen bewusst offenbarte, konnte er ihre Verunsicherung spüren. »Sie gehört zu den Menschen«, säte
er weiter Zweifel in ihr Herz. »Bist du dir sicher, dass du ihm vertrauen kannst, Xiria?« Er |403| wich zurück, als sie einen drohenden Schritt auf ihn zu tat. Mador wusste, dass Verunsicherung bei kindlichen Gemütern sich
in gefährlichen Wutausbrüchen äußern konnte. »Darf ich dir einen Vorschlag unterbreiten, Xiria?«
Sie bebte vor Zorn, doch schließlich nickte sie stumm. Mador spürte klammheimliche Freude. Wieviele solcher Glücksfälle konnte
es geben? Waren diese nicht ein eindeutiges Omen dafür, dass Muruks Herrschaft bald erneut beginnen konnte?
Mit ernstem Gesicht, um sie nicht noch mehr zu verärgern, räusperte er sich. »Bring mir die Kette und hole auch die Menschenfrau
nach Dungun! Lasse sie am Leben, zeige sie deinem Gefährten und beobachte ihn genau. Wenn sein Herz dir gehört, wird sie ihm
gleichgültig sein … was immer du auch mit ihr tust.«
Eine Weile standen sie sich gegenüber, Xiria noch immer bebend vor Zorn. Dann richtete sich
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