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Blutschwur: Die Rachel-Morgan-Serie 11 - Roman (German Edition)

Blutschwur: Die Rachel-Morgan-Serie 11 - Roman (German Edition)

Titel: Blutschwur: Die Rachel-Morgan-Serie 11 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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Und ich? Was war ich? Welche Entscheidungen würde ich treffen, wenn die Welt an einem Scheideweg stand und es an mir lag, den weiteren Weg zu bestimmen?
    »Wirst du deinen Dämon anrufen, um ihn um Rat zu bitten?«, fragte Belle. Ich folgte ihrem Blick zu meinem Anrufungsspiegel.
    »Ich weiß es nicht«, meinte ich und stellte meine Füße auf eine niedrigere Stufe. »Vielleicht ist er noch nicht genug geheilt.«
    Wieder breitete sich Schweigen aus. »Das-s mit Ceri tut mir leid«, erklärte Belle steif. »Und Pierce.«
    Fast hätte ich gelächelt. Wir drei zusammen hatten einen Großteil ihres Clans getötet und die Fairys ohne Flügel zurückgelassen, aber vielleicht ergab das Ganze in Belles kriegerischer Denkart mehr Sinn. »Danke, Belle.«
    »S-sie waren große Krieger. Pierce … Jenks hat mir erzählt, dass-s du fast mit ihm verbunden warst.«
    Ich nickte und hob mein zweites Gesicht. Newts Kraftlinie hing auf Brusthöhe und wirbelte in Hunderten Schattierungen von glühendem Rot. Ich verzehrte mich danach, Pierce darin zu entdecken, oder sogar Al. Aber da war nichts.
    »Es-s wäre eine gute Verbindung gewesen. Ihr s-seid beide s-stark.«
    »Vielleicht«, meinte ich leise. Ich hatte einmal gedacht, ich würde Pierce lieben. Aber nachdem seine Einzigartigkeit sich etwas abgenutzt hatte, hatten mich seine losen Moralvorstellungen mehr abgestoßen, als seine Macht und dunkle Stärke mich angezogen hatten.
    Ich griff nach meinen Spiegel. Widerwillig und langsam hob ich Rex von meinem Schoß und legte stattdessen das schwere Glas drauf. Ich starrte im Dämmerlicht des Sonnenuntergangs in die weingefärbten Tiefen. Darin sah ich das Dach der Kirche über uns, auf deren Turm kein Bis saß. Es war jetzt drei Tage her. Al sollte inzwischen geheilt sein.
    »Sag Ivy und Jenks, sie sollen mich beschwören, wenn ich in zwei Stunden nicht zurück bin«, bat ich. Belle nickte und schwang sich der Wärme zuliebe auf Rex. Ich zitterte in meiner Jacke und fühlte mich beobachtet, als ich einen letzten Blick auf den dämmrigen Garten warf. Gargoyles, dachte ich.
    Nachdem ich für meine Heimreise gesorgt hatte, schloss ich die Augen und legte die Hand auf den Spiegel. Ich hoffte, dass er geheilt war. Al?
    Doch ich hörte nur das unangenehme Kreischen, das von den aus dem Gleichgewicht geratenen Linien auf das Kollektiv übergegangen war.
    Al, dachte ich wieder, mit mehr Hoffnung, nachdem ich keine Bitte-nicht-stören -Nachricht empfangen hatte. Nur eben keine Antwort. Algaliarept.
    Ich drückte die Augen fester zu, als das unheilige Chaos des Kollektivs sich in einem rauschenden Geräusch wie von Wasser oder Wind auflöste. In meinem Kopf entstand die seltsame Empfindung, als hätte mein Geist sich verdoppelt. Erleichterung überschwemmte mich, und ich atmete tief durch. Ich spürte grüne Bäume, alt und feucht. Ich hatte Al gefunden. Glaubte ich zumindest.
    In meinen Gedanken lag ein kleiner Weiher zwischen den Baumwurzeln. Er war nur ein paar Zentimeter tief und so glatt wie Glas. Die Luft war feucht und warm. Ich konnte hören, wie Wasser von den Ästen tropfte, und roch Nebel und Moos. Es gab keinen Wind. Es lag kein Sand in der Luft, kein Geruch nach verbranntem Bernstein. Über dem unbeweglichen Wasser tanzten kleine blaue Schmetterlinge, die ungefähr so lang waren wie mein Daumen. Es war ein urtümlicher Waldsee, und durch das Blätterdach darüber drang kaum Licht. Auf der anderen Seite des von Moos und Stein umgebenen Teiches, auf dem größten Felsbrocken, saß mit dem Rücken zu mir eine zusammengesunkene, dunkle Gestalt. Al.
    Zumindest … glaubte ich, dass es Al war. Er sah anders aus. Er träumt, dachte ich. Doch er musste mich gehört haben, denn er drehte sich um und bemühte sich zu verstecken, was auch immer er auf dem Felsen tat.
    »Al?«, fragte ich in unserem geteilten Traum. Ich erinnerte mich, dass so etwas schon mal geschehen war. Ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich Al vor mir hatte. Er war dünn – fast unterernährt, wie eine Fairy –, seine Haut war sehr dun kel und seine Haare kraus. Als er aufstand, bemerkte ich, dass er ledrige Flügel trug, die wie ein Umhang über seinen Rücken fielen. Seine Augen waren rotgeschlitzte Ziegenaugen, aber mit so weit geöffneten Pupillen, dass sie schwarz wirkten. Ich hatte Al noch nie so dünn gesehen. Selbst sein Gesicht war schmal und lief in einem sehr kleinen, spitzen Kinn aus. In dieser Gestalt sah er aus wie ein Geschöpf der Lüfte.

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