Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutseele

Blutseele

Titel: Blutseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
Vom Netzwerk:
Kinder wach hältst, hätte der Geist keine andere Chance, als mich anzugreifen.«
    »Zu spät.« Bis sprang mit einem raschelnden Geräusch auf die Sitzfläche der Bank. Dann breitete er fast unheilvoll die Flügel aus. »Die Resonanz der Linie hat sich gerade verändert.«
    »Süße Mutter Tink«, flüsterte Vincet. Seine Flügel wurden rot, während er auf seine Eingangstür starrte. »Es kommt. Ich muss sie aufwecken!«
    »Warte!« Jenks flog hinter ihm her und packte seinen Arm. Fast hätten sich ihre Flügel verheddert, und Vincet riss sich los.
    »Sie werden sterben!«, schrie er wütend.
    »Weck die Frischlinge.« Jenks ließ seine Hand auf das Heft seines Schwertes sinken. »Lass die Kinder schlafen. Es tut mir leid, aber sie werden es überleben. Ich werde Vi beschützen, als wäre sie eines meiner Kinder.«
    Vincet wirkte zerrissen. Er wollte die Leben seiner Kinder keinem anderen Mann anvertrauen. Voller Panik drehte er sich, bis er das frische Grab seines Frischlings sehen konnte, auf dem immer noch die staubigen Reste von Tränen glänzten. »Ich kann nicht …«
    »Vincet, ich habe vierundfünfzig Kinder«, drängte Jenks. »Ich kann deine Tochter am Leben halten. Du hast mich darum gebeten, dir zu helfen. Ich muss mit dem reden, was in der Statue gefangen ist. Bitte. Bring sie her.«
    Vincet zögerte immer noch, während seine Flügel im Dunkeln brummten wie tausend Bienen.
    »Ich verspreche es«, sagte Jenks. Erst jetzt verstand er, warum Rachel ständig dämliche Versprechungen machte, die sie vielleicht nie würde halten können. »Lass mich dir helfen.«
    Vincets Flügel nahmen eine kränkliche, blaue Farbe an. »Ich habe keine andere Wahl«, antwortete er. Er zog eine Spur grauen Staubs über die taubedeckten Pflanzen, als er zu seinem Zuhause flog und unter der Erde verschwand.
    Jenks beobachtete ihn, während er leise vor sich hinfluchte. Was, wenn er es nicht schaffte? Er war doch ein dämlicher Trottel, so etwas zu versprechen. Er war genauso schlimm wie Rachel. Wütend befühlte er den Knauf seines Schwertes und starrte die Statue böse an. Bis schob sich näher heran, ohne den Blick auch nur einen Moment von dem kalten Stein abzuwenden, der im Mondlicht und im Schein der Laterne förmlich glitzerte. »Was, wenn ich einen Fehler mache?«, fragte Jenks.
    »Das tust du nicht«, beruhigte ihn der Gargoyle. Dann versteifte er sich und riss die glühenden Augen weit auf, während er mit einem knorrigen Finger auf die Statue deutete. »Schau dir das an!«
    »Heiliger Dreck, was tut sie?«, rief Jenks. Die Trauer über den möglichen Tod eines Kindes verschwand, als das Mond licht durch die Äste fiel und die Statue noch heller wirken ließ. Nein , dachte er, als eine Windböe ihn nach hinten schob. Der Stein glühte wirklich, als hätte er eine zweite Haut aus Licht entwickelt. Es war nicht das Mondlicht!
    »Siehst du auch, was ich sehe?«, fragte Jenks und ließ sich sinken, bis er neben Bis auf der Bank stand.
    »Ja.« Der junge Gargoyle klang verängstigt. »Etwas ist im Stein gefangen, und es lebt noch. Jenks, das ist kein Geist. Das ist nicht richtig. Schau, ich bekomme Gänsehaut!«
    Ohne auf Bis’ erhobenen, grauen Arm zu sehen, murmelte Jenks: »Ja, ich auch.«
    Auf der anderen Straßenseite hallte dreimal dieselbe Lachkonserve aus verschiedenen Fernsehern. Das Glühen der Statue veränderte sich, wurde dunkler, bis es weniger ein Mondstrahl war und mehr ein glänzender Schatten. Die dunkle Umhüllung behielt dieselbe Form bei, aber sie löste sich von der Statue. Es sah aus wie eine Seele, die sich vom Körper abspaltet.
    »Taubendreck!«, bellte Bis. Mit einem Energiestoß, den Jenks auf seinen Flügeln spürte, löste sich der Schatten von der Statue und verschwand. »Hast du das gesehen? Hast du das verdammt noch mal gesehen?«, schrie Bis. Seine Flügelspitzen zitterten.
    »Er ist weg!«, sagte Jenks und konnte ein Schaudern nicht unterdrücken.
    Die Bank zitterte, als Bis auf den Gehweg sprang und sich unter die hölzernen Latten drückte. »Nicht weg, frei«, erklärte er aus dem Schutz des Holzes heraus und bewirkte damit, dass Jenks sich noch mehr Sorgen machte. »Herrjemine, ich kann ihn hören. Es klingt wie Vogelfedern, die gegeneinanderstreifen, oder Schuppen. Nein, Äste und Knochen.«
    Beklommen ließ Jenks sich durch die Latten der Bank gleiten, um neben Bis auf dem noch warmen Gehweg zu lan den. Dann beobachtete er dasselbe Stück leere Luft, das der Gargoyle anstarrte.

Weitere Kostenlose Bücher