Blutseele
Wurfgeschwister waren jetzt die ältesten im Garten, so jugendlich frisch und unschuldig, wie sie sein sollten, stark und fähig, mit einem Schwert einen Eindringling zu töten, der zweimal so groß war wie sie. Jenks liebte sie alle, aber wahrscheinlich war das der letzte Frühling, in dem sie der Familie beim Umzug halfen. Besonders Jack würde wohl im Herbst von der Wanderlust ergriffen werden und den Garten verlassen.
»Geht und tut, was eure Mutter gesagt hat«, grummelte Jenks, während er vier Süßbälle aus der Schale neben sich nahm und jedem der Jungen einen davon zuwarf. »Und achtet auf euer Zuckerlevel! Flach in ein Feld eingegraben helft ihr mir gar nichts.«
»Danke, Dad!«, riefen sie mit vollen Wangen. Immerhin brachte sie das für ein paar Minuten zum Schweigen.
Matalina kam näher und scheuchte die Jungs mit einem liebevollen Lächeln aus dem Raum. »Los. Wenn ihr mit den Zimmern der Mädchen fertig seid, findet die großen Töpfe und füllt sie. Sucht nach Rissen. Ich werde morgen Spinnenkokons einwässern, um die Seide zu lösen. Sie hingen den gesamten Winter über im Kühlraum. Wenn wir nicht aufpassen, schlüpfen sie. Ich kann euch keine Kleidung aus Mondstrahlen weben, wisst ihr.«
»Ich hätte kein Problem damit, nackt durch den Garten zu fliegen«, murmelte Jumoke. Matalina schlug spielerisch nach ihm.
»Raus!«
»Erinnert ihr euch, was letztes Jahr passiert ist?«, meinte Jaul mit vollem Mund, als sie auf die Öffnung zuflogen.
»Überall Netze!«, antwortete Jack lachend.
»Naja, du warst derjenige, der die Kokons in die Sonne gehängt hat«, sagte Jumoke, als sie aus dem Blickfeld verschwanden. Ihr Staub sank langsam nach unten und verglomm.
»Wie hätte ich denn sonst dafür sorgen sollen, dass sie zu dem Zeitpunkt schlüpfen, auf den ich gewettet hatte?«, hörte Jenks noch von außerhalb des Schreibtisches. Er lachte leise. Das war ein Riesenchaos gewesen.
Langsam verklangen die Stimmen seiner Söhne. Jenks musterte Matalinas Miene, um ihre Stimmung einzuschätzen. Sie lächelte, wanderte mit stillstehenden Flügeln über den eingelassenen Eichenboden zu ihm und setzte sich neben ihn. Ihre Flügel verhakten sich, als sie sich an ihn drückte. Langsam nahm ihr gemeinsamer Staub eine zufriedene, goldene Färbung an.
»Ich kann es kaum erwarten, zurück in den Garten zu kommen«, sagte sie, während sie einen Wäschehaufen am anderen Ende des Raums anstarrte. »Ich gebe zu, dass ich den Umzugstag selbst nicht besonders mag, aber ich werde nie wieder in den Winterschlaf fallen, in der ständigen Angst, nicht zu wissen, wer im nächsten Frühling mit mir aufwachen wird.« Sie griff in die Schale, teilte mit einer schnellen Bewegung einen Süßball in zwei Hälften und gab Jenks einen Teil. »Du bist sehr still. Was hat dir heute Morgen den Aufwind abgekühlt?«
»Nichts.« Jenks warf seine Hälfte des Süßballes zurück in die Schale, legte seiner Frau einen Arm um die Schulter und streichelte sie mit dem Daumen. Er erinnerte sich an den Geruch von Frischlingen, und sein Blick fiel auf ihren flachen Bauch, der nun schon seit mehr als einem Jahr keinen Nachwuchs mehr hervorgebracht hatte. Sein Wunsch nach Unfruchtbarkeit mochte das Leben seiner Ehefrau verlängert haben – aber hatte er so auch dafür gesorgt, dass ihre letzten Lebensjahre leer waren?
Matalina legte ihren Süßball ebenfalls beiseite, löste sich von ihm und drehte sich so, dass sie ihn ansehen konnte. »Ist es der Pixie, dem du und Bis in Cincinnati helfen wolltet? Ich bin deswegen sehr stolz auf dich. Die Kinder passen gerne auf den Garten auf, wenn du weg bist. Dann fühlen sie sich wichtig, und sie alle werden gut vorbereitet sein, wenn sie einen eigenen Garten besitzen.«
Einen eigenen Garten, dachte er. Seine Kinder verließen die Familie. Vincets Kinder waren so jung. Sein gesamtes Erwachsenenleben lag noch vor dem Pixie. »Mattie, wünschst du dir jemals Frischlinge?«
Sie senkte den Blick, und ihr Atem schien zu stocken, als sie wieder auf den Kleiderhaufen blickte.
Ihr Schweigen erfüllte Jenks mit Angst. Er setzte sich auf und nahm ihre Hände in seine. »Tinks Tränen. Es tut mir leid«, brach aus ihm heraus. »Ich dachte, du wolltest keine mehr. Du hast gesagt … Wir hatten doch darüber gesprochen …«
Mit einem Lächeln, das sie noch schöner machte, legte Matalina ihm einen Finger auf die Lippen. »Still«, hauchte sie, ließ die Hand wieder sinken und lehnte sich vor, bis ihre Stirn
Weitere Kostenlose Bücher