Blutseele
Wärme umhüllte ihn, als er sich erneut durch den Plastikvorhang schob. Nach ein paar Sprühstößen war die Hundekiste wieder sauber, und alle Hinweise auf den Welpen wurden vom Geruch von Bleiche überlagert. Mit einem Seufzen richtete Cooper sich auf. Fünfundzwanzig und Angestellter in einem Zoogeschäft. Er hätte darauf geschworen, dass Kay nicht lesbisch war – zumindest flirtete sie ab und zu. Vielleicht lag es ja an ihm.
Das plötzliche Flattern von Vögeln in ihren Käfigen ließ ihn den Kopf heben, und für einen Moment stellten sich die Haare in seinem Nacken auf. Er fühlte sich, als hätte sich der Winter den Weg durch die Tür gebahnt. Cooper drehte sich zu den großen Schaufenstern um, hinter denen die Welt in Dunkelheit lag. Im Licht der Straßenlampen konnte er den friedlichen Schneefall sehen. Dann riss er die Augen auf, als er ein kleines Mädchen entdeckte, das mitten im Gang stand: weiße Hosen, kleine schwarze Schuhe und ein Mantel aus schwarzem Pelz. Unter einer passenden Pelzmütze konnte er leuchtend rotes, glattes Haar erkennen, und ihre Hände steckten in einem Muff.
»Oh! Hallo!«, stammelte Cooper, während er sich nach einem Elternteil umsah. »Du hast mich erschreckt! Wie lange bist du schon hier drin?« Sie musste den Laden betreten haben, während er im Hinterzimmer war, aber er hatte die Glocken nicht gehört.
Das kleine Mädchen strahlte ihn an. »Habe ich das?«, fragte sie fröhlich. Anscheinend fand sie es lustig, dass sie einem Erwachsenen Angst eingejagt hatte. »Könnte ich die Kätzchen sehen?«
Cooper ließ die Spraydose auf dem Tresen stehen, nickte und bemühte sich gleichzeitig, seine Verärgerung zu ver bergen. Er mochte Kinder, aber nicht, wenn ihre Eltern sie im Laden absetzten, als wäre er ein Babysitter – und besonders nicht eine Viertelstunde vor Ladenschluss. »Sicher, aber lass sie nicht raus, okay?«
Das Mädchen schnaubte aufgesetzt unabhängig und mar schierte voller Selbstbewusstsein zu dem mehrstöckigen Katzenkäfig. Dann ging sie in die Hocke und erzeugte ein trillerndes Geräusch. Sofort hoben sich zwei graue und ein schwarzer Kopf aus dem Knäuel schlafender Körper. Die Kätzchen krabbelten eifrig nach vorne, dann drückten sie sich gegen die Gitter und maunzten. »Sie mögen mich«, sagte das Mädchen scheu und warf ihm aus ihren grünen Augen einen gewinnenden Blick zu.
Cooper stand mit verschränkten Armen hinter ihr. Er warf einen kurzen Blick auf seine Uhr. Er konnte sie nicht rauswerfen. Draußen war es kalt. »Ist deine Mom in der Gegend, Kleine?«, fragte er. Auf der anderen Straßenseite lag ein Discountmarkt, aber der hatte schon zu. Vielleicht saß die Mutter in der Bar am Ende der Straße. Das Mädchen wirkte, als wäre es daran gewöhnt, allein zu sein.
»Ich möchte die Schwarze.« Sie sah auf. Ihre Haare umrahmten ein fast dreieckiges Gesicht, in dem Lippen leuchteten, die für ein so kleines Mädchen fast zu rot waren. Sie schob ihre Finger so tief in den Käfig, wie sie nur konnte. »Sie sieht aus wie ich.«
Cooper trat einen Schritt zurück und lächelte. Er konnte keinerlei Ähnlichkeit erkennen, aber er war auch keine neun Jahre alt. »Du kannst sie kriegen, wenn deine Mutter zustimmt. Warum holst du sie nicht? Wir schließen in fünf Minuten.«
Das Mädchen zog ihre Hand aus dem Käfig und stand mit leuchtenden Augen auf. »Ich möchte tauschen.«
Oh, um Himmels willen … Cooper warf einen Blick zu dem Schild am Eingang und seufzte. Er hatte schon öfter mit Kindern verhandelt. »Meine Chefin lässt mich nicht tauschen. Ist deine Mutter in der Bar, Süße?« Er empfing sehr seltsame Schwingungen von dem Kind – eine Mischung aus Wohlstand und Vernachlässigung. Als wäre sie ein Kind aus gutem Hause, das von einem reichen Alkoholiker aufgezogen wurde; ein Kind, dem nie etwas fehlte außer einer zu verlässigen Quelle der Liebe; das gezwungen war, Zuneigung in sich aufzusaugen, wenn kurze Momente der Nüchternheit es ermöglichten.
»Wir werden tauschen.« Das kleine Mädchen stand zuversichtlich auf und griff in ihren Muff. »Sein Name ist Leonard. Er beißt, der kleine Schlingel. Ich wollte eine Katze, damit wir spielen können, aber Mama hat sich für eine dämliche Fledermaus entschieden. Siehst du?«
Cooper riss die Augen auf, als ihre Finger sich öffneten und einen mausgroßen Haufen Fell freigaben, der zusammengerollt und mit zusammengekniffenen Augen dalag. Sie hat eine Fledermaus!, dachte er, während
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